Aufbruch? Ausgezeichnet!                           Aber wie und wohin?

Einige Überlegungen zur Aufbruch-Konferenz im Juni 2016

Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG (RKO BEFREIUNG), Juni 2016, www.rkob.net

 

Die Aufbruch-Konferenz ist eine willkommene Gelegenheit, um gemeinsam Überlegungen für den Kampf gegen die rassistische FPÖ sowie gegen die neoliberale SPÖVP-Regierung anzustellen. Viele ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendliche haben sich zu Recht von der SPÖ abgewandt und suchen nach einer neuen Alternative.

 

Diese Konferenz ist nicht der erste Versuch, einen Schritt in Richtung Aufbau einer Alternative zur SPÖ zu machen. Im Folgenden wollen wir einige Überlegungen und Schlussfolgerungen präsentieren, die wir als AktivistInnen der RKO BEFREIUNG getroffen haben.

 

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass ein breiterer Zusammenschluss von AktivistInnen auf der Grundlage der Klärung mehrerer Fragen stattfinden sollte. Dabei geht es einerseits um die Haltung zu einigen Schlüsselfragen der Unterdrückung und des Widerstandes in Österreich sowie eng damit zusammenhängende internationale Fragen. Und anderseits ist es notwendig, Übereinstimmung zu erzielen zur Frage, auf welche Schichten sich der Aufbau einer solchen neuen politischen Alternative orientieren sollte.

 

Welches Programm gegen den Rassismus?

 

Es bedarf wohl kaum einer Erläuterung, dass die Frage des Rassismus gegenwärtig eine Schlüsselrolle in den politischen Auseinandersetzungen einnimmt – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Dies ist keineswegs verwunderlich, denn der Kapitalismus befindet sich seit 2008 in einer tiefen Krise. In einer solchen Periode der Wirtschaftsstagnation, von sinkenden Profite und steigendender Arbeitslosigkeit und damit auch der zunehmenden Unzufriedenheit ist der Rassismus eine bevorzugte Waffe der herrschenden Klasse, um ihre Profite zu steigern und die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten zu spalten. Die Unterdrückung der MigrantInnen ermöglicht es, diese als billige Arbeitskräfte auszubeuten und aus ihnen mehr Abgaben (Sozialversicherung, Steuern) herauszupressen. Diese Unterdrückung findet bekanntlich auf vielfache Weise statt: Nichtanerkennung ihrer Muttersprache als gleichberechtigte Sprache bei den Behörden und in der Ausbildung; Verweigerung von Staatsbürgerrechten für Migranten mit einem ausländischen Pass; häufige Drangsalierung durch die Polizei, allgemeine rassistische Hetze im Alltag etc.

 

Durch die Errichtung von Mauern um Europa und durch die verschärften Grenzkontrollen sollen Flüchtlinge an der Einreise nach Europa gehindert werden. Genauer gesagt wollen die Herrschenden die vollständige Kontrolle über die Grenzen haben, sodass sie nur jene Flüchtlinge einreisen lassen können, die jung, gesund und sehr gut ausgebildet sind und dann für eine befristete Zeit als billige Arbeitskräfte ausbeuten werden.

 

Ein besonders wichtiges Merkmal des Rassismus ist die Islamophobie – also die Hetze gegen muslimische MigrantInnen. Diese Form des Rassismus ist für die Herrschenden besonders wichtig, denn sie dient der ideologischen Rechtfertigung mehrerer Dinge:

 

a) der Brandmarkung einer Minderheit als Sündenbock für gesellschaftliche Probleme, die wegen ihrer religiösen Herkunft „nicht zu uns gehört“. In diesem Sinne ähnelt der anti-muslimische Rassismus der früheren Unterdrückung der Juden und Jüdinnen.

 

b) der Rechtfertigung der Abschottung der imperialistischen Festung Europa gegen Flüchtlinge, die zum Großteil aus muslimischen Ländern kommen.

 

c) der Rechtfertigung der imperialistischen Kriege der Großmächte im Nahen Osten und Nordafrika, die unter dem Vorwand des „Kampfes gegen den Terror“ mit Bomben und Bodentruppen die Arabische Revolution erdrosseln und den ungehinderten Zugriff auf die dortigen Erdölreserven erreichen wollen.

 

d) der Rechtfertigung der Unterstützung für den rassistischen Apartheidstaat Israel, der auf der Vertreibung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes beruht.

 

Die FPÖ erweist sich hier als besonders aggressive Einpeitscherin. Aber es wäre falsch sie als einzige rassistische Partei zu bezeichnen. SPÖ und ÖVP betreiben in Wirklichkeit ebenfalls eine rassistische Politik – nur mit weniger Hysterie und dafür mit mehr staatlichen Gewaltmitteln (wie z.B. der Notstandsverordnung).

 

Eine besondere Bedrohung für MigrantInnen und die gesamte ArbeiterInnenbewegung sind die Nazis, von denen gegenwärtig die sogenannten Identitären die größte Gefahr darstellen. Gegen diese Brut gilt es eine breite Einheitsfront von Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, der MigrantInnen und der Jugendlichen aufzubauen und die Nazis mit allen notwendigen Mitteln von der Straße zu fegen.

 

Unserer Meinung nach sollte daher eine neue politische Alternative für folgende Forderungen eintreten:

 

* Kampf dem Chauvinismus und Militarismus in Österreich und Europa! Öffnet die Grenzen für Flüchtlinge! Nein zu Notstandsverordnungen! Verteidigt muslimische Migranten gegen den islamophoben Rassismus! Für eine Einheitsfront der Massenorganisationen der Arbeiter- und Migrantenbewegungen um rassistische und faschistische Kräfte von den Straßen zu fegen!

 

* Gleiche Rechte für MigrantInnen! Gleicher Lohn und volle Staatsbürgerrechte! Gleichstellung von Sprachen von MigrantInnen in Ausbildung und öffentlicher Verwaltung! Für ein öffentliches Arbeitsprogramm mit Jobs für alle Flüchtlinge und alle arbeitslosen einheimischen ArbeiterInnen! Einheimische ArbeiterInnen und MigrantInnen - kämpft zusammen gegen den gemeinsamen Feind: die herrschende Klasse in Österreich!

 

Der internationale Kampf gegen die imperialistische EU

 

Wie oben erwähnt, ist der Kampf gegen Rassismus und für die Rechte der MigrantInnen und Flüchtlinge notwendigerweise ein internationaler. Deswegen ist es unserer Meinung nach unabdingbar, dass eine neue politische Alternative klar Stellung bezieht gegen den Rassismus und Militarismus der Europäischen Union.

 

Durch die Errichtung von Mauern um Europa sterben tausende Flüchtlinge im Mittelmeer. Dies ist besonders zynisch angesichts der Tatsache, dass die Großkonzerne und die Regierungen der EU – gemeinsam mit den anderen imperialistischen Großmächten USA, Japan, Russland und China – eine zentrale Verantwortung für die Fluchtursachen tragen. Denn es sind die Großkonzerne der reichen Länder, die durch die imperialistische Handelspolitik den Bauern in den armen Ländern die Lebensgrundlage entziehen, die für den Klimawandel verantwortlich sind, die mit dem Apartheidstaat Israel und den Diktaturen wie in Ägypten, Saudi-Arabien, Iran usw. gute Geschäfte machen und die diesen Waffen liefern. Es sind die Regierungen der reichen Länder, die über Jahre hinweg Geheimdienstabkommen mit dem syrischen Diktator Assad oder seinem libyschen Gegenüber Gaddafi schlossen, die Israel mit Milliardenzuschüssen unterstützen, die den arabischen Diktatoren hofieren usw.

 

In Frankreich errichtete die „sozialistische“ Regierung von Hollande, die von der „Kommunistischen“ Partei unterstützt wird, im November 2015 ein Notstandsregime. Allein bis Ende Jänner wurden mehr als 3.000 Hausdurchsuchungen durchgeführt und über 1.000 muslimische MigrantInnen festgenommen. Frankreich, Britannien und Deutschland beteiligen sich an den permanenten Bombenangriffen der USA in Syrien und dem Irak. Ebenso führen die europäischen Großmächte einen Kolonialkrieg in Mali.

 

Gleichzeitig bereitet die EU einen Militäreinsatz in Libyen vor, um Flüchtlingen den Weg abzuschneiden und das Volk, dass sich 2011 erfolgreich gegen die Diktatur erhoben hat, samt den reichhaltigen Erdölvorkommen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen.

 

Deswegen sollte unserer Meinung nach eine neue politische Alternative für folgende Forderungen eintreten:

 

* Keine Mauern um Europa – Öffnet die Grenzen für Flüchtlinge! Die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung müssen den Flüchtlingen helfen, die Grenzen nach Europa zu überwinden!

 

* Für die Aufhebung des Ausnahmezustand in Frankreich! Keine Einsätze von Armeeeinheiten auf europäischen Straßen!

 

* Syrien, Irak, Mali, Libyen, Somalia: Raus mit den Besatzungstruppen der Großmächte und ihrer Handlanger!

 

Solidarität mit der Arabischen Revolution! Solidarität mit Palästina!

 

Ein weiterer wichtiger Bereich des Kampfes gegen die Fluchtursachen ist die Solidarität mit dem andauernden Widerstand der arabischen Völker gegen die Diktaturen in Syrien, Ägypten, gegen die pro-iranische Zentralregierung im Iran, gegen die westlichen Handlanger in Libyen, gegen die saudische Invasion in Jemen usw. Einen besonderen Platz nimmt dabei auch der Widerstand des palästinensischen Volkes gegen die brutale Unterdrückung und Vertreibung durch den Apartheidstaat Israel.

 

Diese brutalen Diktaturen könnten sich alle nicht über Wasser halten, würden sie nicht massive politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung durch die Großmächte bekommen. Assad wäre schon längst weg vom Fenster ohne die Waffenhilfe und die täglichen Bombenangriffe Russlands.

 

Ein Bestandteil der imperialistischen Politik der Großmächte im Nahen Osten ist die massive Unterstützung für Israel. Darunter fällt auch die zunehmende Hetze und Kriminalisierung der pro-palästinensischen Solidaritätsaktivitäten. In Österreich versucht der Staat gegenwärtig den RKOB-Sprecher Michael Pröbsting vor Gericht zu zerren wegen „Verhetzung“, sprich wegen seiner Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Dafür drohen ihm bis zu einem Jahr Haft!

 

Unserer Meinung nach sollte eine neue politische Alternative für folgende Forderungen eintreten:

 

* Verteidigt die Arabische Revolution gegen ihre inneren und äußeren Feinde! Nieder mit den reaktionären Regimes in Syrien, Ägypten, den Golfmonarchien sowie Tunesien! Verteidigt Jemen gegen die saudische Aggression! Nieder mit dem imperialistischen Apartheidstaat Israel – Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand!

 

* Internationale Solidarität mit der ungebrochenen Syrischen Revolution! Nieder mit der Diktatur des Schlächters Assad! Russland und NATO: Hände weg von Syrien! Nein zu jeder durch die Großmächte erzwungenen Verhandlungslösung! Für das Recht des kurdischen Volkes auf nationale Selbstbestimmung! Nieder mit dem reaktionären Daesh! Nein zur Kriminalisierung von pro-palästinensischen Solidaritätsaktivisten in Österreich!

 

Wie gegen den Sozialabbau kämpfen?

 

Wie eingangs erwähnt, führt die Krise des Kapitalismus unvermeidlich zu einer Verschärfung der sozialen Gegensätze. Es ist daher unerlässlich für eine politische Alternative zur SPÖ, einen ernsthaften Kampf gegen den Sozialabbau zu führen.

 

Ein ernsthafter Kampf bedeutet, im Unterschied zur ÖGB-Bürokratie nicht auf Sozialpartnerschaft und Anbiederung an Regierung und Kapitalisten zu setzen. Eine ernsthafte Alternative zur SPÖ muss auf einen harten Kampf gegen die Regierung und die Unternehmer setzen. In Frankreich sehen wir gegenwärtig, dass ein Widerstand gegen die neoliberalen Sozialabbaupläne mit Generalstreiks, Blockaden, Besetzungen und Großdemonstrationen möglich ist.

 

Doch dafür müssen wir die Sabotage durch die Gewerkschaftsbürokratie brechen. Diese will nämlich nur ihre Posten und Privilegien aufrechterhalten indem sie einen Kuschelkurs mit Regierung und Kapitalisten fortsetzt. Deswegen wäre unserer Meinung nach der Aufbau einer kämpferischen Basisbewegung in den Gewerkschaften sehr wichtig.

 

Gleichzeitig wäre es unserer Meinung nach eine große Illusion zu glauben, den Kapitalismus mit einer „linken“ Regierung reformieren zu können. Das Scheitern der griechischen SYRIZA-Regierung und ihre Kapitulation vor den Banken und Konzernen zeigt ganz klar, dass ernsthaften sozialen Reformen erst dann durchgeführt werden können, wenn die Banken und Konzerne enteignet und der kapitalistische Staatsapparat beseitigt wird. Mit anderen Worten: soziale Gerechtigkeit und Abschaffung des Rassismus sind nur möglich, wenn die breite Mehrheit der Bevölkerung – die ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen – den Kapitalismus durch eine sozialistische Revolution stürzt und die Geschicke der Gesellschaft selber bestimmt.

 

Unserer Meinung nach sollte eine neue politische Alternative für folgende Forderungen eintreten:

 

* Kampf gegen Sozialbbau und Niedriglohnpolitk! Massive Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn! Arbeit für alle durch ein öffentliches Beschäftigungsprogramm und finanziert durch eine massive Besteuerung der Reichen! Enteignung der Superreichen!

 

* Für Massendemonstrationen und Streiks – bis hin zum Generalstreik – um unsere Interessen gegen Regierung und Kapitalisten durchzusetzen!

 

* Für den Aufbau einer kämpferischen Basisbewegung in den Gewerkschaften, um die Vorherrschaft der Bürokratie zu brechen!

 

Auf welche Schichten sollten wir uns orientieren?

 

Eine der größten Schwächen vieler linken Umgruppierungsprojekte – und der Linken im Allgemeinen – ist ihre gesellschaftliche Isolation. Anstatt sich auf die breite Masse der einfachen ArbeiterInnen, der MigrantInnen und der proletarischen Jugendlichen zu orientieren, zieht es der Großteil der Linken vor, ihren Aufbau vor allem auf abgehobene Schichten auszurichten: das akademische Unimilieu oder die Zirkeln der SPÖ- und Gewerkschaftsbürokratie. Währenddessen fischt die FPÖ ungehindert – und leider erfolgreich – in der ArbeiterInnenklasse, wo viele sich enttäuscht von der SPÖ abwenden.

 

Eine solche Orientierung ist vollkommen falsch. Damit verkommt man nur zu einer Partei wie die Grünen, die in den Mittelschichts-Bezirken und auf der Universität punktet, aber unter den ArbeiterInnen als abgehoben gilt.

 

Wir erachten es daher als vorrangig, dass eine neue politische Alternative ihre Aufrufe und ihre Aktionen auf die ArbeiterInnen und MigrantInnen ausrichtet.

 

Wir wollen keine Organisation aufbauen, die bloß für die ArbeiterInnen und MigrantInnen eintritt, sondern die dies gemeinsam mit diesen und durch diese tut.

 

Unserer Meinung nach kann eine solche Orientierung auch an realen Bezugspunkten ansetzen. Im letzten Jahr haben wir gesehen, dass es eine nennenswerte Minderheit in der ArbeiterInnenklasse gibt, die sich in Wort und Tat mit Flüchtlingen solidarisieren – auch unter den jetzigen Bedingungen der reaktionären rassistischen Hetze.

 

Kurz und gut: wir denken, dass in Österreich die Voraussetzungen dafür existieren, um eine neue Partei der ArbeiterInnen und MigrantInnen aufzubauen. Und genau dies sollte auch unser Ziel sein!

 

Dies sind einige Überlegungen der RKO BEFREIUNG zu den Perspektiven des Aufbaus einer politischen Alternative zur SPÖ.