Für ein freies und sozialistisches Azawad!

Unsere Haltung zum Freiheitskampf des Tuareg-Volkes in Mali

Von Johannes Wiener

 

Die revolutionäre Welle im arabischen Raum macht auch vor Mali nicht halt! Mali ist eine ehemalige Kolonie Frankreichs, im Westen der Sahara und extrem arm. Mehr als 70% der Bevölkerung leben von weniger als einem US-Dollar am Tag. Die Wirtschaft des Landes beschränkt sich fast ausschließlich auf die Landwirtschaft (wo ca. 80% der Erwerbstätigen arbeiten). Es gibt fast keine Industrie. In Mali leben ungefähr 14,5 Mrd. Menschen, die absolute Mehrheit von ihnen in den fruchtbareren Regionen im Süden und teilweise auch in der Mitte des Landes.

Mali ist eines der ärmsten Länder weltweit. Gleichzeitig besitzt es aber verschiedene Bodenschätze. So ist Mali z.B. der drittgrößte Produzent von Gold. Zumindest zwei kanadische Bergbaukonzerne - Lamgold Corporation und Avion Gold Corporation – beuten die dortigen Vorkommen aus.

Mali ist ein Vielvölkerstaat, es gibt ca. 30 verschiedene Volksgruppen. Deswegen ist die nationale Frage in Mali sehr wichtig. Der Norden des Landes ist sehr dünn besiedelt, vor allem durch die Tuareg. Die Tuareg sind ein Nomadenvolk, das große Teile der westlichen Sahara bewohnt. Dadurch, dass große Teile dieses Volkes als Nomaden und Halbnomaden leben, konnten sie nur sehr wenig in das kapitalistische Wirtschaftssystem integriert werden. Viele von ihnen, aber auch große Teile anderer Volksgruppen im Norden Malis leben und arbeiten unter vorkapitalistischen Bedingungen. Das bedeutet, dass große Teile des Bodens in Mali keiner Privatperson und auch keinem Unternehmen gehören. Im Norden Malis gibt es, aufgrund der wirtschaftlichen Rückständigkeit, nur eine kleine Arbeiterklasse. Große Teile der Bevölkerung sind kleine Bauern, Halbnomaden oder Nomaden.

 

Der Kampf der Tuareg für Azawad

 

Als Azawad sehen die Tuareg ihr Siedlungsgebiet im Herzen der Sahara an. In den 1960er und in den 1990er Jahren gab es größere Aufstände der Tuareg, die für ein eigenes Land kämpften. Diese Aufstände wurden niedergeschlagen. Schon vor 1960 gab es vereinzelte Aufstände der Tuareg gegen die französische Kolonialmacht. Und auch nach und zwischen den größeren Aufständen 1960 und 1990 gab es kleinere bewaffnete Konflikte zwischen den Tuareg und der malischen Armee. Seit den 1990er Jahre kämpft die Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad (MNLA) im Norden Malis für einen unabhängigen Staat der Tuareg. Die MNLA ist eine bürgerlich-nationalistische Kraft. Sie steht an der Spitze des Strebens der Tuareg nach einem eigenen Staat.

Es gibt ca. 6 Millionen Tuareg, die im dünn besiedelten Herz der westlichen Sahara leben (vor allem in Mali aber auch in Marokko, Algerien, Libyen, Burkina Faso und im Niger). Die Tuareg werden von den verschieden bürgerlichen Regierungen Nordafrikas unterdrückt. Ihre Sprache wird benachteiligt, man erschwert es ihnen freiwillig das Nomadendasein aufzugeben, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder medizinische Versorgung zu bekommen (im Norden des Mali gibt es fast keine Schulen oder Krankenhäuser). Die Regierung sieht sie offiziell nicht als nationale Minderheit, sondern als „Landstreicher“ an.

Auch wenn die MNLA, eine bürgerliche Kraft ist, so steht sie doch an vorderster Front eines berechtigten und gerechten Kampfes. Man muss auch sagen, dass die MNLA, entgegen dem Kriegsgeheul der verschiedenen imperialistischen Staaten (insbesondere der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich), relativ fortschrittlich ist. Sie betont, dass sie für die Trennung von Staat und Religion eintritt und nicht nur für die Tuareg, sondern für alle Völker des Azawad kämpft. Ebenso versteht sie sich als eine antiimperialistische Kraft.

 

Aufstand heute

 

Der Funke der revolutionären Welle des arabischen Raums sprang auch auf Mali über. Ende Februar begann die MNLA eine Offensive gegen die Streitkräfte der malischen Zentralregierung. In sehr kurzer Zeit eroberte sie einen großen Teil des Nordens Malis. Während sich die malische Armee zurückzog, putschte ein besonders rückschrittlicher Teil der Armee gegen den gewählten Präsidenten Malis, Dioncounda Traoré. Sie warfen der Regierung vor, nicht entschlossen genug gegen den Tuareg-Aufstand zu kämpfen, sprich die Tuareg zu wenig zu unterdrücken.

Doch der Putsch brachte nicht das gewünschte Resultat. In Wirklichkeit stärkte er die Position der Tuareg, denn er schwächte die sich auf dem Rückzug befindliche Armee. Man kann aber damit rechnen, dass es einem zukünftigen malischen Militärregime leichter fallen wird, gegen das junge Azawad vorzugehen, als einem bürgerlich-demokratischen Mali. Die Frage ist hierbei aber viel eher, wie die malische Arbeiterklasse und die armen Bauern, im Süden des Landes sich gegenüber so einer Regierung verhalten werden.

 

Sozialistische Perspektiven

 

Unsere internationale Organisation – die Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT) – tritt für eine sozialistische Perspektive im Befreiungskampf der Tuareg ein. Es ist notwendig, dass die malische Arbeiterbewegung, im Bündnis mit den armen Bauern und der städtischen Armut die Bewegung der Tuareg unterstützt und gegen das Militär, die Ausbeuter, die internationalen Konzerne (und die dahinter stehenden imperialistischen Länder) und die Großgrundbesitzer vorgeht. Gerade heute, wenn das malische Regime nicht einmal genug Kräfte hat, um den Aufstand der Tuareg zu bekämpfen, müssen die Arbeiter, Arbeiterinnen und Armen Malis zur Tat schreiten. Die armen Bauern müssen das Land der Großgrundbesitzer und der ausländischen Konzerne untereinander aufteilen, die Gewerkschaften müssen einen Generalstreik organisieren, die Unterdrückten müssen sich bewaffnen, und in den Städten, Dörfern und in den Unternehmen Räte bilden.

In Azawad müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen die Unternehmen in die eigenen Hände nehmen. Das Land der Großgrundbesitzer muss unter den Kleinbauern aufgeteilt werden. Alles Hab und Gut von ausländischen Konzernen und der reichen Länder muss in den Besitz des neuen Staates übergehen. Die Unterdrückten müssen sich in Räten organisieren und die Milizen der Tuareg müssen demokratisch organisiert werden. Diese Räte in Stadt, Land und in der Armee müssen die Basis des neuen Staates bilden. Solche Räte sind Organe der Herrschaft der Unterdrückten, bei ihnen wird auf Massenversammlungen über die wichtigsten Fragen diskutiert, dann werden auf dieser Grundlage Vertreter und Vertreterinnen gewählt, die jederzeit abwählbar sind und keine Privilegien besitzen dürfen.

Da in Azawad nicht nur Tuareg, sondern auch andere Volksgruppen leben (im Westen vor allem Mauren und im Süden vor allem Songhai und Peul), ist es besonders wichtig, dass diese volle nationale Rechte bekommen. In jene Gebieten von Azawad, wo diese Gruppen die Mehrheit der Bevölkerung stellen, sollen sie durch lokale Selbstverwaltung ihre Wünsche durchsetzen können.

Aufgrund der wirtschaftlichen Rückständigkeit in diesem Teil Afrikas, die durch den Druck der imperialistischen Länder verursacht wird, sind Armut, Hunger und Analphabetismus sehr weit verbreitet. Es ist wichtig, dass eine künftige Regierung der Arbeiter und Arbeiterinnen, die sich auf die Armen in Stadt und Land stützt, einen Plan ausarbeitet, um diese Geiseln des kapitalistischen Systems zu bekämpfen. Nur so kann Azawad wirklich frei und unabhängig werden.

Die RCIT tritt für die Abschaffung der Staatssprache und der völligen Gleichberechtigung der Sprachen der verschiedenen nationalen Gruppen eines Landes ein. Diese Forderung ist gerade auch in Afrika und für die Tuareg von Bedeutung. Nur durch den Kampf für die völlige Gleichberechtigung kann das Ziel einer möglichst engen Vereinigung der Völker erreicht werden.

 

Islamismus und Imperialismus

 

Sofort nach Beginn des Tuareg Aufstandes heulten die imperialistischen Großmächte, insbesondere Frankreich, über die gewaltsamen Methoden der MLNA auf. Der französische Außenminister bezeichnete die Unabhängigkeitserklärung als „null und nichtig“. Es ist bezeichnend für die EU und Frankreich, die derzeit einen blutigen Kolonialkrieg in Afghanistan, mit Tausenden Todesopfern, führen, falsche Tränen über ein paar hundert tote malische Soldaten vergießen, die ihnen sonst auch nicht sonderlich wichtig sind. In Wirklichkeit geht es Frankreich und der EU aber nicht um die Gewalt, sondern ihren wirtschaftlichen Einfluss in Mali.

Die zweite Reaktion der ehemaligen Kolonialherren war folgende: sie warnten vor einem islamistischen Gottesstaat im Norden Malis. Auch wenn wir der Meinung sind, dass es Sache der Arbeiter, Arbeiterinnen und Bauern in Mali (und nicht der Konzernherren und Generäle in Paris, London und Berlin) ist gegen den rückschrittlichen Islamismus zu kämpfen, so ist diese Sorge weitgehend unbegründet. Zwar hat die MNLA hie und da kurzfristig mit islamistischen Kräften gemeinsame militärische Aktionen gegen die malischen Streitkräfte unternommen.

Doch solch eine Zusammenarbeit ist noch lange kein Grund einen islamistischen Gottesstaat heraufzubeschwören. Einerseits ist die MNLA keine islamistische Kraft, andererseits sind die Islamisten in Mali nicht sonderlich stark und auch in den Volksmassen nicht verankert. Und schließlich hat die MNLA mit den Islamisten gebrochen und befindet sich gerade selbst im Konflikt mit ihnen. Es kam sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den MNLA-Milizen und der AQIM (Al Quaida im islamischen Maghreb) in Timbuktu (einer der größten Stadt im Süden von Azawad). Die islamistische Gefahr wird vielmehr von den imperialistischen Ländern Europas und den bürgerlichen afrikanischen Staaten genutzt, um ein mögliches militärisches Eingreifen zu rechtfertigen. Diverse westafrikanische Staaten planen schon einen Angriff auf Azawad, aus Angst, die unterdrückten nationalen Minderheiten ihrer Länder könnten dem Beispiel der Tuareg folgen.

Seit Jahren bemüht sich der US-Imperialismus, seinen Einfluß in der Region auszuweiten. Im Jahre 2005 schuffen die USA die sogenannte „Trans-Sahara Counter-Terrorism Partnership“. Diese umfaßt 11 afrikanische sogenannte “Partnerländer”: Algerien, Burkina Faso, Lybien (also noch Gaddafi an der Macht war!), Morokko, Tunisien, Tschad, Mali, Mauritanien, Niger, Nigeria und Senegal. Dieses Bündnis veranstaltet jedes Jahr gemeinsame militärische Übungen unter dem Decknamen “Flintlock”.

 

Aufstand ausweiten!

 

Die Grenzen im Westen Afrikas verlaufen gerade durch die Wüste. So zerschneiden sie zum Beispiel das Siedlungsgebiet der Tuareg in fünf Teile. Die Grenzen verlaufen so, weil sie von den ehemaligen Kolonialherren mit dem Lineal am Kartentisch gezogen wurden. So gehen also nicht nur die sozialen, sondern auch die nationalen Probleme im Westen Afrikas über die Grenzen Malis hinaus.

Gleichzeitig planen verschiedene Staaten Azawad anzugreifen. Es ist also unglaublich wichtig, den Aufstand der Tuareg auszudehnen, um alle unterdrückten nationalen Minderheiten im Südwesten der Sahara zu befreien und der Armut und Ausbeutung ein Ende zu bereiten. Eine künftige sozialistische Regierung in Azawad, muss daran arbeiten eine Föderation von Republiken, im Süden der Sahara zu schaffen, in denen die Arbeiter, Arbeiterinnen, die armen Bauern und die städtische Armut die Macht in den Händen hält!

Die RCIT solidarisiert sich mit dem Befreiungskampf des Tuareg-Volkes. Es ist vordringlich, dass die internationale ArbeiterInnenbewegung in Afrika, Europa und darüberhinaus jede Intervention der imperialistischen Großmächte oder der mit ihnen verbündeten afrikanischen Regierungen bekämpft. Entscheidend wird es schließlich auch sein, daß in Mali und der gesamten Region neue, revolutionäre ArbeiterInnenparteien geschaffen werden. Solche Parteien werden konsequent für die Befreiung der unterdrückten Nationen kämpfen und dies mit dem Kampf der ArbeiterInnenklasse für eine sozialistische Revolution verbinden. Denn die Völker zur Befreiung führen können keine bürgerlichen Organisationen wie die MNLA, sondern nur eine revolutionäre Kampfpartei mit einem kommunistischen Programm.