Pflege: Einsparungspolitik bekämpfen! Streik der administrativen Arbeiten!

Artikel von Almedina Gunić, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG, www.rkob.net


Sich abhetzen, um den Patienten wenigsten halbwegs die Zeit widmen zu können, die sie brauchen. Nur um von Angehörigen oder verschiedenen Patienten selbst runtergeputzt zu werden. Unzählige Dokumente und Papiere abarbeiten und zwischendurch im Stehen oder Gehen eine Kleinigkeit essen, um nicht umzukippen. Mit überarbeiteten Ärzten reden, die weder Zeit noch Nerven haben auf alles einzugehen was es eigentlich zu besprechen gebe. Oder mit Ärzten, die schon längst aufgegeben haben sich zu bemühen und mit größter Kreativität verschiedenste Arbeiten delegieren. Alles für einen Lohn, der weit von dem entfernt ist was man eigentlich bekommen sollte. Dabei ist das frustrierende vorallem der massive Mangel an anderen Kollegen, die es fast unmöglich macht seinen Job so zu erledigen wie man das gern schaffen würde und eigentlich auch müsste. Und das Gefühl nie selber krank werden zu dürfen, weil dann alles für die anderen noch viel schwieriger und belastender wird als es sowieso schon ist. Und selbst die Besten können es sich nicht verkneifen zumindest innerlich zu fluchen wenn dochmal ein Kollege oder eine Kollegin in den Krankenstand gehen muss. Rund um die Uhr da sein zu müssen für andere ohne entsprechende Anerkennung – das ist das Jobprofil, das einem in der Ausbildung höchstens in den Praxistagen vor Augen geführt wird und dabei Alltag in der Pflege ist.

 

Pure Erschöpfung: Erfahrungsberichte und Statistik

 

Diese saloppe Zusammenfassung der Belastungen und Probleme der Beschäftigten im Pflegebereich schlägt sich auch in klaren Zahlen nieder. Bei einer Umfrage mit 27.000 Beschäftigten aus Spitälern und verschiedenen Pflegeeinrichtungen gaben 44,3% an mehr als vertraglich vereinbart zu arbeiten. Ein Viertel würde gern weniger Stunden leisten müssen, 74% sind mit dem Lohn unzufrieden. Mehr als 50% findet, dass die Arbeitsbelastung in den letzten sechs Jahre deutlich gestiegen ist und 33,2% fühlten sich sogar emotional extrem erschöpft.

 

Eine Krankenschwester aus dem Otto-Wagner Spital berichtete: „Statt früher 48 Stunden dürfen neu eingestellte Kollegen nur mehr 40 Stunden pro Woche arbeiten, ohne dass es mehr Mitarbeiter gibt.“ Massiver Mangel an Personal, was zusätzliche Belastung bedeutet – davon berichten 46,7% der Beschäftigten. Gar nicht davon zu sprechen, dass Berufe im Bereich Pflege körperlich und emotinal enorm anstrengen. Wenn dann auch noch faktisch 600 Vollzeit-Arbeitsplätze nicht nachbesetzt werden. Andere Quellen sprechen sogar von 1.000 fehlenden Pflegekräften. So wird aus einem Beruf, den viele trotz allem gern ausüben nur eine kurze Episode im Leben. Denn wer kann sich und seiner eigenen Gesundheit mehr als zwei Jahrzehnte im Pflegebereich heute noch zumuten?

 

Schreiende Ungerechtigkeit der Zwei-Klassen Medizin

 

Gleichzeitig sind es nicht nur die Beschäftigten im Pflegebereich, die unter der Einsparungspolitik der letzten Jahre leiden. Viele Patienten wie auch deren Angehörige treffen die massiven Kürzungen im Gesundheitssektor. Vor Jahren wurden das Pflegegeld massiv gekürzt. Ab 2011 wurde für den Bezug von Pflegegeld der Stufe 1 ein Nachweis von mindestens 60 Stunden Pflege statt bis dahin 50 Stunden in der Woche erwartet. Das war eine massive Steigerung der erforderten Pflegestunden von 20%! Ebenso wurde für die Pflegestufe 2 eine Erhöhung von 75 auf 85 Stunden umgesetzt. Mit diesem Jahr wurde das ganze nochmals verschärft und für die Pflegestufe 1 sollen jetzt mindestens 65 Stunden sowie mindestens 95 Stunden für die Pflegestufe 2 geleistet werden. Pflegegeldbezüge fallen somit für viele Menschen, die Angehörige selber pflegen weg und gleichzeitig wird massiv an Personal im Pflegebereich gespart.

 

Immer mehr Kranke werden damit links liegen gelassen. Gleichzeitig gibt es systematische Bevorzugung von Patienten, die sich eine teure Private Krankenversicherung leisten können. Formell dürften diese Patienten lediglich bezüglich der Ausstattung der Zimmer und ähnlichen Leistungen mehr Komfort bekommen. Real aber werden privat versicherte Patienten unabhängig von der Dringlichkeit ihrer Erkrankung sogar für Operationen bevorzugt. Immerhin bedeutet jeder länger andauernde Aufenthalt im Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung auch mehr Geld für die jeweilige Institution. Die Klassengesellschaft schlägt sich nunmal auch im Gesundheitssektor nieder.

 

Streik bringt Zeit und Geld

 

Gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung ist jede Form von betrieblichen Kampf schwer zu organisieren. Die Arbeiterinnen und Arbeiter des Gesundheitssektors wollen verständlicherweise keinen Schaden an den Patienten anrichten, die bekanntlich auch keine Schuld an der Situation tragen. Gleichzeitig kann keine wirkliche Verbesserung errungen werden ohne konsequenten Arbeitskampf.

 

In verschiedensten Ländern der Welt haben die Gesundheitsarbeiterinnen und –Arbeiter eine besondere Streikform angewendet: Go-Slow Strike. Diese Streikform findet sich auch öfters bei Fabriksarbeiterinnen und –arbeitern, die auf Akkordarbeit gedrillt werden und nicht in den vollen Streik treten. Im Fall der Industrie bedeutet ein Go-Slow Strike massive Profitverluste für die Kapitalisten. Im Gesundheitssektor dagegen wurde der Go-Slow Strike in anderer Form eingesetzt: Ausschließlich der administrative Bereich wurde bestreikt. Auf Grund der rigiden Vorschriften der Krankenkassen werden immer mehr und genauere Dokumentationen der Pflegeleistungen gefordert, damit diese Leistungen überhaupt ausgezahlt werden. Den administrativen Bereich zu bestreiken bedeutet eben diese dokumentatorische Arbeit zu boykottieren und lediglich die konkrete Pflege und Versorgung der Patienten zu leisten. Genauso trifft dieser administrative Boykott die Krankenhausverwaltung und änhliche Einrichtungen.

 

Diese Form des Streiks erfordert natürlich ein hohes Maß an Organisiertheit und Konsequenz. Gerade auch die Gewerkschaft muss bereit stehen einen solchen Arbeitskampf zu unterstützen wenn nicht zu organisieren, wie es eigentlich auch ihre Aufgabe ist. Im Fall des Go-Slow Strike ist eine Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten auch in der breiten Bevölkerung schnell und dauerhaft da.

 

Ein Go-Slow Strike, der sich lediglich gegen die administrativen Aufgaben richtet kann und wird nämlich eine sofort spürbare Verbesserung für die Patienten bringen: Unabhängig ihrer Versicherung wird ihnen mehr Zeit und Energie gewidmet. Ein Streik gegen den administrativen Bereich bringt somit mehr Zeit für die Patienten ohne sie mehr Geld zu kosten. Und es bringt nach einer gewissen Zeit des konsequenten Streiks auch endlich mehr Geld für die Beschäftigten.

 

Mehr Personal, mehr Lohn – jetzt sofort!

 

Es gab schon einige Demonstrationen, die von CaREvolution erstmals in Salzburg und inzwischen auch in Wien organisiert wurden bzw. sich allgemein in andere Bundesländer ausweiteten. Die Forderungen nach Einstellung von mehr Personal und einer Erhöhung des Lohns um 20% bzw. 30% sind enorm wichtig. Dafür gilt es konsequent zu kämpfen.

 

Ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, das sich auch besonders stark auf den Gesundheitssektor orientiert schafft neue Arbeitsplätze, bessere Verpflegung für die Patienten und kann die wachsende Arbeitslosigkeit zurückschlagen. Ebenso kann man so schnell neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze für MigrantInnen wie auch Flüchtlinge schaffen. Ein solches Beschäftigungsprogramm muss finanziert werden durch massive Besteuerung von Reichtum und Kapital. Die Steuereinnahmen auf Kapital machen in Österreich lächerliche 4% aus! Die Haupteinnahmen bringt die Steuer auf Arbeit mit unglaublichen 2/3 aller Steuereinnahmen sowie die Steuer auf Konsum, die ganze 27% der Einnahmen ausmacht. Die Unternehmen, die Steuerflucht begehen oder wegen massiven Steuererhöhungen auf den Profit gar ins Ausland ziehen wollen müssen sofort entschädigungslos verstaatlicht und dabei unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden.

 

Ebenso muss das lächerlich hohe Vermögen der Superreichen entschädigungslos enteignet werden. Allein mit dem offiziellen Vermögen der zehn reichsten Familien Österreichs (das inoffiziell deutlich höher sein dürfte) ließen sich alle zentralen Staatsausgaben Österreichs für mindestens ein ganzes Jahr finanzieren! Es ist lächerlich, dass so wenige Menschen soviel besitzen wie ein ganzer Staat im Jahr ausgibt.

 

Es ist Zeit, dass sich die falschen Verhältnisse in denen die meisten von uns arbeiten und leben müssen endlich ändern! Fangen wir mit einem konsequenten, patientenfreundlichen Arbeitskampf im Gesundheitssektor an. Verbinden wir diesen Kampf mit Forderungen, die noch breitere Teile der Gesellschaft umfassen. Das ist die beste Antwort auf die gern gestellte Frage: Wer soll das alles finanzieren? Die Schmarotzer, die in Saus und Braus leben während wir uns kaputt schuften!

 

 

 

Quellen:

 

www.derstandard.at/2000004269879/Einsparungen-im-Spital-nicht-der-Mensch-nur-der-Beinbruch-wird

 

www.profil.at/home/schlummernde-milliarden-wo-regierung-264730

 

www.format.at/politik/das-system-wand-325636

 

www.profil.at/home/die-gesundheitsversorgung-oesterreich-282963

 

www.oe1.orf.at/artikel/213451

 

www.orf.at/stories/2046575/2046574/

 

www.kurier.at/chronik/oesterreich/wer-im-spital-wie-viel-verdienen-soll/129.539.783

 

www.behindertenarbeit.at/36705/hundstorfer-prasentiert-einsparungen-beim-pflegegeld/

 

www.behindertenarbeit.at/1332/heftige-kritik-an-geplanten-pflegegeldkurzungen/

 

www.krone.at/Salzburg/CaRevolution_der_Pfleger_zieht_weite_Kreise-Gehaltsstreit-Story-443775