Baltimore: All night, all day, we’ll fight for Freddie Gray!

Artikel von Adam Beltz (RCIT USA) und Nina Gunić (RKO BEFREIUNG), www.rkob.net

 

Kaum eine andere Losung ist in kaum einem anderen Land in einem solchen Ausmaß von Bedeutung, wie die Forderung nach einer revolutionären Bewegung der Schwarzen in den USA. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist es unmöglich eine Polizeiuniform zu tragen ohne seine Hände im Blut unschuldiger Schwarzer zu baden. Ein weiterer unserer Brüder und Schwestern, die durch den Würgegriff der Polizeirepression zu Tode kamen ist Freddie Gray. Und Baltimore antwortet auf diesen Würgegriff genau in der Art, wie es zu antworten hat: Mit Massenprotesten und Straßenschlachten.


Alles eine Frage der Hautfarbe


Freddie Gray hat vor Schmerzen gebrüllt bei seiner brutalen Festnahme, immerhin erlitt er dabei eine Rückenmarksverletzung, an der er später im Krankenhaus auch starb. Er war gerademal 25 Jahre alt. Die Polizei hatte ihn verhaftet, nachdem er bei einer der vielen Polizeikontrollen, die in Baltimore gemacht werden wegrannte. Er wurde im Nachhinein unter der Begründung des Besitzes eines Springmessers zum Polizeiwagen geschliffen und laut Augenzeugen während des Festnahme von den Polizisten zusammengeschlagen. Dabei ist es in den USA kein Problem selbst schwere Schusswaffen legal zu besitzen.


Das Recht auf Besitz von Waffen auch als Zivilist ist eindeutig positiv und im Interesse der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten. Immerhin ist die Alternative, das nur der Repressionsapparat der herrschenden Klasse freien Zugang zu Waffen hat. Und der Repressionsapparat wird nunmal gegen uns in Form von Polizei und Militär eingesetzt.


In einem Land, das für seine lockeren Gesetze bezüglich Schusswaffen bekannt ist, gilt ein Schwarzer mit Springmesser aber als gefährlich genug um brutal festgenommen zu werden. In genau demselben Moment patroullieren an den Grenzen zu Mexiko bewaffnete Milizen rechter und rechtsradikaler Aktivisten, den Minutemen, die auf jeden Migranten schießen, den sie für einen illegalen Migranten halten. Ihr Verhalten ist dabei ganz gesetzestreu.


Die USA sind auch in dieser Hinsicht ein hervorragendes Beispiel der Logik bürgerlicher Demokratie: Gesetze dienen den Interessen der herrschenden Klasse und richten sich damit automatisch gegen alle Unterdrückten. Deswegen können die Einen auch mit Rückendeckung durch das bürgerliche Gesetz als Zivilisten ganz offen Schusswaffen gegen Migranten einsetzen während andere Zivilisten ebenso mit Rückendeckung durch das bürgerliche Gesetz wegen dem Besitz eines kleinen Messers, das sie in der Tasche mitführen, eingesperrt werden sollen. Natürlich nur wenn letztgenannte Zivilisten schwarzer Hautfarbe sind oder migrantischer Herkunft.

Einer von Hunderttausend


In Baltimore ist der Repressionsapparat besonders aktiv. Der Anteil an Schwarzen liegt bei 65% und das bedeutet für die Polizei eine unglaublich hohe Rate an Festnahmen. Allein im Jahr 2005 wurden 100.000 Festnahmen vorgenommen und das in einer Stadt die knapp 640.000 Einwohner hat! Auch wenn das „Null-Toleranz“-Gesetz von damals nach Klagen von Menschenrechtsorganisationen wieder zurückgezogen wurde, ist Baltimore einer der ungerechtesten Pflaster der gesamten USA. Eine 87-jährige Schwarze wurde festgenommen als sie zu ihrem verletzten Enkel lief und brach sich dabei mehrere Knochen. Eine junge, schwangere Schwarze war Zeugin einer Schlägerei und wurde von der Polizei brutal zu Boden geworfen.


In einer Stadt, die hauptsächlich von Schwarzen bewohnt wird ist es faszinierend wie eindeutig die Polizeibrutalität rassistische Prägung hat. Es ist also noch nicht einmal dann möglich den rassistischen Übergriffen zu entkommen, wenn man sich in einer Stadt befindet, die mehrheitlich von Nicht-Weißen bewohnt wird. Der Grund dafür ist simpel: Der Anteil der Schwarzen an der Bevölkerung mag hoch sein, der  Repressionsapparat ist aber überall derselbe. Es ist unerheblich, dass die Bürgermeisterin, Stephanie Rawlings-Blake, eine Schwarze ist. Es ist unerheblich, dass der Präsident der USA, Barack Obama, schwarz ist. Nur weil die herrschende Klasse einige Schwarze in solchen Positionen zulässt um demokratisch zu erscheinen, bedeutet es nicht, dass die Gewalt gegen Schwarze und der tagtägliche Rassismus aufhört. Es bedeutet ebensowenig, dass wir deshalb plötzlich in einem System leben, dass Gleichberechtigung bedeutet. Oder um es in den Worten eines Schwarzen aus einen der zahlreichen Ghettos der USA nach der Wahl von Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA zu formulieren: „He is not my brother. Yes, he is black, but he never lived like we are living.”


Denn die meisten Schwarzen, wie die meisten Latinos und andere Migranten in den USA sind nach wie vor in erster Linie in unserer Klasse zu finden. Und als Teil unserer Klasse, der Arbeiterklasse werden sie unterdrückt und überausgebeutet. Daran ändern die paar wenigen Schwarzen und Migranten, die Teil der herrschenden Klasse sein dürfen und uns die Illusion von Gleichberechtigung vorleben sollen, nichts. Sie sind eben nicht unsere Brüder und Schwestern.


Gerechtigkeit heißt Wiedergutmachung


Es ist untragbar, wie unsere schwarzen Brüder und Schwestern behandelt werden. Es ist untragbar, wie sehr sie in Armut gehalten, wie stark sie ausgebeutet werden und wie gewalttätig von Seiten der Polizei gegen sie vorgegangen wird. Denn die Unterdrückung unserer schwarzen Brüder und Schwestern ist auch in den USA weit über den Repressionsapparat zu sehen. Der Unterschied im Einkommen zwischen  weißen und schwarzen Männern in den Südstaaten ist größer als zu Beginn der 60er Jahre. 2011 verdiente ein Schwarzer im Süden um 72% (!) weniger als ein Weißer. Es sind doppelt soviele Schwarze wie Weiße arbeitslos. Die Liste lässt sich noch ewig weiterführen. Es ist daher weit mehr als die Empörung über die brutale Ermordung unseres Bruders Freddie Gray, der die Menschen in Baltimore auf die Straße bringt. In Baltimore selbst wurde Ausgangssperre verhängt und sogar die Nationalgarde mobilisiert. Denn, wenn die Situation für die herrschende Klasse besonders schwierig wird greift sie auch zurück auf die anderen Teile ihres Unterdrückungsapparates und setzt das Militär ein.


Die Antwort unserer Brüder und Schwestern in Baltimore und darüberhinaus ist eine sehr gute erste Reaktion auf die Ereignisse. Es ist eine gute und gesunde Reaktion, wenn Unterdrückte offen und miliant gegen die Unterdrückung kämpfen. Es ist aber auch nicht das erste Mal und nicht die erste Stadt, in der es zu Straßenkämpfen mit der Polizei und zu einem Bruch mit den Vorgaben der Stadtregierung – wie der Bruch mit der Ausgangssperre – kommt. In Baltimore kam es schon 1968 zu einer wochenlangen Straßenschlacht zwischen den Schwarzen und der Polizei nach der Ermordung von Martin Luther King Jr. Wir haben aber auch heute heldenhafte Proteste auch in anderen Städten wie in Ferguson erlebt. Selbst außerhalb der USA haben Schwarze gegen die Polizeirepression gekämpft, so auch während der Aufstände der vorallem schwarzen und migrantischen Jugendlichen in London 2011. Doch all diese Proteste und Aufstände haben nicht ausgereicht, weil sie auf diese erste gesunde Reaktion beschränkt blieben.


Wichtig ist es daher, weiter zu gehen im Widerstand. Unsere Brüder und Schwestern müssen sich organisieren und Selbstverteidigungseinheiten schaffen. Solche Selbtsverteidigungseinheiten sind wichtig um sich organisiert gegen die Polizei und die Nationalgarde wehren zu können, aber auch um geschlossen und geplant vorzugehen. Ebenso ist es wichtig regelmäßige Versammlungen der Aktivist abzuhalten auf denen das weitere Vorgehen demokratisch besprochen und beschlossen wird. Immerhin werden auch bewusst Aktivist der Kirche und anderer Einrichtungen in den Stadtteilen dazu motiviert, die Proteste abflauen zu lassen und die Straßenkämpfe zu verhindern. Ohne diese Straßenkämpfe liegen die Chancen etwas dauerhaft zu verändern und einen Sieg gegen den Repressionsapparat zu erlangen bei Null.


Dabei gibt es unzählige Forderungen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die Aktivist sollten  sich für das Einsetzen eines Tribunals gegen die am Tod von Freddie Gray verantwortlichen Polizisten einsetzen. Ein Tribunal, das von der Arbeiterbewegung (den Gewerkschaften, Organisationen der Unterdrückten, usw.) gestellt wird und in denen die Betroffenen vertreten sind – also eine entsprechende Mehrheit an Schwarzen über ein Urteil entscheidet. Auf diese Art kann verhindert werden, dass der ganze Vorfall wiedereinmal zugunsten der Mörder entschieden wird wie das schon in zahlreichen anderen Fällen so auch im Fall von Trayvon Martin und Michael Brown passiert ist. Ein solches Tribunal entscheidet auch in welcher Höhe und Form Widergutmachungen an den Familien der Opfer zu leisten sind. Das gehört zum Mindesten, was den betroffenen Brüdern und Schwestern gegenüber zu leisten wäre.


Darüberhinaus gilt es für die volle Gleichberechtigung unserer schwarzen Brüder und Schwestern zu kämpfen und zwar in allen Lebensbereichen. Das bedeutet auch den Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gegen die Armut und für freien, kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung und jeder Ausbildung. Ein öffentliches Beschäftigungsprogramm muss erkämpft werden, dass gerade auch die hohe Arbeitslosigkeit unter unseren schwarzen Brüdern und Schwestern beenden soll.


Ein solches Beschäftigungsprogramm kann und muss finanziert werden durch die Enteignung der Superreichen und die Überführung der Großunternehmen und Banken in öffentliche Hand und unter Kontrolle der Beschäftigten. Das sind Schritte, die unserer gesamten unterdrückten Klasse zugute kommen und für die es gemeinsam zu kämpfen gilt.


Für eine revolutionäre Bewegung der Schwarzen


Die Lage in Baltimore ist leider, ebenso wie die Ermordung von Freddie Gray, keine Ausnahme. Unsere schwarzen Brüder und Schwestern werden seit jeher unterdrückt. Deswegen ist es so wichtig auch für eine revolutionäre Bewegung der Schwarzen in den USA und darüberhinaus zu kämpfen. Eine solche revolutionäre Bewegung organisiert und koordiniert sämtliche Widerstandsaktionen auch über Baltimore hinaus. Sie kämpft und organisiert unsere schwarzen Brüder und Schwestern als Teil des Kampfes aller Unterdrückten, sprich auch der Frauen, der Jugendlichen, der Latinos und aller anderen Migrant. Das ist nämlich auch eine weitere wichtige Lehre aus den bisher letztlich erfolgslosen Protesten in Ferguson und Baltimore: Der Zusammenschluss aller Unterdrückten im Kampf gegen die herrschende Klasse und ihren Repressionsapparat ist entscheidend für den Erfolg. Die Ermordung unserer schwarzen Brüder und Schwestern geht uns alle an und wir haben sie in ihrem Kampf bedingungslos und aktiv zu unterstützen. Eine revolutionäre Bewegung der Schwarzen sollte daher auch Teil einer internationalen, revolutionären Bewegung aller Unterdrückten im Kampf für eine revolutionäre Weltpartei sein.


Letztenendes sind Versammlungen, Selbstverteidigungseinheiten und andere Organe der Widerstands auch wichtige Mittel um eine revolutionäre Partei zu schaffen. Eine Partei, die konsequent die Interessen der Schwarzen wie auch aller Unterdrückten, vertritt und sie organisiert. Eine solche Partei auf internationaler Ebene ist die revolutionäre Weltpartei, die Fünfte Internationale. Eine solche Internationale braucht auch das Herz und Hirn unserer schwarzen Brüder und Schwestern, um ihre geschichtliche Aufgabe zu erfüllen: Die Zerschlagung des Systems der Unterdrückung, des Kapitalismus durch eine Revolution und die Schaffung einer Welt der Gleichberechtigung und Freiheit – eine Welt des Sozialismus. In einer solchen Welt hätte Freddie Gray das Leben führen können, das ihm und jeden unserer unterdrückten Brüder und Schwestern seit ihrer Geburt zusteht: Erfüllt von Zufriedenheit und in wirklicher Freiheit.