Was können wir aus der Niederlage im Herbst 2010 lernen?

Eine der wesentlichsten Lehren der Niederlage im Kampf gegen das Sparpaket der SPÖ/ÖVP-Bundesregierung im Herbst 2010 besteht darin, daß einzelne Demonstrationen nicht ausreichen, um die Herrschenden in die Knie zu zwingen.

Wir dürfen nicht den Versprechungen zivilgesellschaftlicher Gruppen oder Politikern von den Grünen, der KPÖ oder auch der SPÖ vertrauen.

Sie behaupten, daß mit einzelnen Protestaktionen, mit dem Vorlegen von alternativen Budgets und Anträgen im Landtag die Voves-Regierung im Schröpfen des Sozialsystems gestoppt werden kann.

Erinnern wir uns: die Politik des Bündnisses „Zukunftsbudget“ führte in die völlige Niederlage. Die hinter verschlossenen Türen betrieben Zusammenarbeit von Gewerkschaftsbürokratie und sozialdemokratischen Jugendorganisationen, zivilgesellschaftliche Alternativsparer al la ATTAC und bürgerlich-katholischen Organisationen und Grünen brachte eine kleine Demonstration am 27.11. und noch kleineren Druck auf die Regierung zustande. Auf diese Weise verpuffte der breite Unmut in der arbeitenden Bevölkerung im Nichts. Breite Teile der ArbeiterInnenklasse beteiligten sich nicht an der Demonstration, denn nicht unverständlich drängt sich bei dem gesamten Vorgehen des Bündnis „Zukunftsbudget“ die Frage auf: „Wozu eigentlich?“. Um einen Nachmittag lang hauptsächlich durch die Innenstadt zu gehen und es damit auch sein zu lassen? Ist das der Druck, der die Regierung ihre Sparpläne überdenken lässt?

Der Herbst 2010 lehrt: Das Sparpaket kann nicht durch einmalige oder auch mehrmalige Demonstrationen gekippt werden. Dazu bedarf es kämpferischer Massenaktionen (wie Streiks, Generalstreik, Besetzungen).

Daraus ergibt sich auch die zentrale Verantwortung fortschrittlicher AktivistInnen. Die notwendigen Schritte des Kampfes müssen beharrlich propagiert, jeder kleine praktische Ansatz in diese Richtung unterstützt und mit der strategischen Linie verbunden werden. Eine Nachtrabpolitik, eine Etappenpolitik – zuerst nur die leicht verdaulichen, heute schon „populären“, Schritte propagieren, später die schweren Brocken – dieser Weg vergrößert die Gefahr der Niederlage und desorientiert die fortgeschrittensten Kräfte. In Wirklichkeit orientiert sich diese Herangehensweise noch nicht einmal nach einer Popularität in der Masse der ArbeiterInnenklasse, sondern nach für die reformistischen Kräfte „populären“ Schritten.

Deswegen ist es völlig unzureichend, wenn linke Gruppen wie der Funke als die notwendigen Schritte im Kampf gegen das Sparpaket in der Steiermark nur Betriebsrätekonferenzen, „erste Warnstreiks“ und eine weitere Großdemonstration benennen. (siehe Funke: „Steiermark: Wie weiter nach der Großdemo vom 25. März?“, 30.3.2011) Oder wie im Fall der SLP ein einzelner „landesweiter Streik- und Aktionstag“. (siehe SLP: Widerstand in der Steiermark geht weiter, 8.4.2011) So richtig all diese Schritte sind, sie reichen nicht aus. Der Protestbewegung läuft die Zeit davon. Sie muß radikalere Kampfmaßnahmen ergreifen, um eine Niederlage zu vermeiden!

Wir revolutionäre KommunistInnen von der RKOB ziehen für die Proteste in der Steiermark folgende Lehren aus der Niederlage im Kampf gegen das Sparpaket im Herbst 2010: Wenn die Protestbewegung nicht rechtzeitig und entschlossen kämpft und den Kampf auf eine qualitativ höhere Stufe stellt, verlieren wir. Es ist 1 vor 12. Am 27./28. April soll das Sparpaket beschlossen werden. Wenn es in den nächsten Wochen nicht gelingt, Aktionskomitees und breite Basisversammlungen in den Betrieben, Stadtteile, Schulen und Gewerkschaften aufzubauen und eine breite Streikbewegung – einzelne Streiks, Besetzungen und eine Mobilisierung für einen Generalstreik in der Steiermark – zu entfalten, dann wird es kaum möglich sein, den sozialen Kahlschlag zu verhindern. Im Besten Falle erwarten uns dann gemäßigtere Einsparungen in mehreren zeitlichen Abschnitten, die in Summe die Tragweite des geplanten sozialen Kahlschlags ergeben!

Das Geld von den Reichen holen!

Welche Forderungen also müßte die Bewegung aufstellen? Sie sollte sich nicht auf „alternative Sparmaßnahmen“ einlassen, wie es kleinbürgerliche Kräfte in der „Plattform 25“ propagieren. So fordern diese in der „alternativen Budgetrede“ der Plattform vom 11.4.: „Die schon längst überfälligen Verwaltungsreformen auf Landesebene müssen sofort durchgeführt werden! Die Sozialsysteme werden ja nur deshalb zusammengekürzt, weil die Landesregierung unfähig ist, Verwaltungsreformen durchzuführen. (…) Die Plattform würde das vorhandene riesige Heer an BeamtInnen einsetzen, um rasch, zackig und effizient Apelle vom Rechnungshof und von Budgetexperten umzusetzen und alle Bereiche der Verwaltung auf Sinnhaftigkeit und Kosten hin zu überprüfen und zu optimieren.“ (Die alternative Budgetrede der Plattform 25 am 11.4.2011)

Mit einer solchen „alternativen Sparpolitik“ verschaffen die Plattform 25-Verantwortlichen ungewollt der bürgerlichen Regierungspolitik eine Rechtfertigung. Denn dadurch wird der Eindruck erzeugt, als gebe es tatsächlich einen Zwang zum Sparen und jetzt gilt es nur noch darüber zu diskutieren, wo am besten Einschnitte gemacht werden: bei den Sozialprojekten oder bei den Verwaltungsbeamten.

Eine solche Politik fördert – von den Plattform 25-VertreterInnen sicherlich ungewollt – eine Spaltung innerhalb der ArbeiterInnenklasse. In diesem Fall zwischen den Beschäftigten im Sozialbereich und jenem im öffentlichen Dienst.

Die Forderungen der Bewegung müssen sich klipp und klar gegen die Banken und Konzerne, gegen die Elite der Superreichen richten. Die Forderungen müssen den Klassenkampf zum Ausdruck bringen statt den Eindruck zu erwecken, es gehe um eine „sozial abgefederte Budgetpolitik“. Die Forderungen müssen darüber hinausgehen, eine „AirPower-Flugsschau“ zu streichen, die Parteienförderungen mehr zu kürzen, die Abgabe auf Glücksspielautomaten zu erhöhen oder eine „Schottersteuer“ einzuführen. (wie es die KPÖ Steiermark in ihren „Vorschlägen für das steirische Landesbudget“ vom 14. April 2011 tut). Die Forderungen müssen vielmehr aufzeigen, welcher enorme Reichtum sich in den Händen der KapitalistInnen befinden, ein Reichtum, den sie nur aufgrund der Arbeit der Lohnabhängigen besitzen und nicht wegen ihrer eigenen Leistung, und den es nun zu enteignen gilt.

Wir von der RKOB sagen: Nicht die breite Bevölkerung, sondern die KapitalistInnen, die Superreichen müssen für die Folge der Krise zahlen. Deswegen treten wir für die umgehende Rückzahlung der staatlichen Unterstützungsgelder für die Banken ein, für das Eintreiben der Steuerschulden der UnternehmerInnen, für die massive Erhöhung der Vermögenssteuer, die Einstellung der staatlichen Zinszahlungen an das Finanzkapital sowie die Beschlagnahmung des Vermögens der kleinen Elite der Superreichen ein. Alleine dadurch könnte das Budgetdefizit mehrfach gedeckt werden. Es könnten sogar massive Investitionen in das Sozial- und Bildungssystem gesteckt werden! Allein die Profite und das Vermögen, dass die UnternehmerInnen anhäufen, kann jede Sparpolitik im Sozial- und Bildungsbereich ein für alle mal zur Geschichte machen.

Die Gewerkschaften müssen kämpfen!

Der Plattform 25 gebührt der große Verdienst, eine breite Protestbewegung mit über 530 Organisationen aufgebaut zu haben, die bereits zwei Großdemonstrationen organisierte. Doch Erfolg haben wir nur, wenn der Kampf über Demonstrationen hinausgeht und in Massenstreiks übergeht. Die zentrale Herausforderung des Kampfes ist die Mobilisierung für einen Generalstreik in der Steiermark. Dafür wiederum ist es zentral, die Gewerkschaften für eine solche Perspektive zu gewinnen.

Die breite Protestbewegung hat offenkundig schon insoferne einen ersten Erfolg errungen, als der ÖGB Steiermark nun scheinbar die Bewegung unterstützt und eventuell auch zur Demonstration am 26. April mobilisiert. Dies zeigt, daß massiver Druck auf der Straße die BürokratInnen dazu zwingen kann, gegen ihren ursprünglichen Willen, Protestaktionen zu unterstützen. Hier gilt es anzusetzen und innerhalb der Gewerkschaften eine breite Kampagne zu initiieren, um diese für Streiks und einen Generalstreik gegen das Voves-Sparpaket zu gewinnen.

Doch damit die Bewegung eine qualitativ höhere Stufe erreicht und in eine Streik- und Generalstreiksbewegung mündet, braucht sie dringend höhere Organisationsformen. Eine der vordringlichsten Aufgaben besteht darin, in den Betrieben, Schulen, Orten und Stadtteilen lokale Aktionskomitees aufzubauen. In diesen Aktionskomitees sollen sich all jene zusammenschließen, die Widerstand leisten wollen gegen das Sparpaket. Solche Aktionskomitees sollten Versammlungen vor Ort abhalten und dort die Lage und die nächsten Schritte des Abwehrkampfes besprechen. Sie sollten Delegierte wählen, die sich rasch im Rahmen der Plattform 25, der Gewerkschaften oder auch unabhängig von diesen treffen und die nächsten Schritte planen. Solche räteartigen Basisstrukturen haben in der Geschichte der Klassenkämpfe immer wieder eine große Rolle bei der Einbeziehung der Massen unabhängig von der Bürokratie gespielt.

Ebenso sollte es rasch eine Betriebsrätekonferenz geben, um die nächsten Kampfmaßnahmen – Demonstrationen, Streiks, Besetzungen – zu planen. Dort könnte auch die Gewerkschaftsführung gezwungen werden, ihre Ressourcen für die Organisierung eines ernsthaften Kampfes zur Verfügung zu stellen.

Schließlich könnte eine Bewegung der Aktionskomitees ebenso wie Betriebsrätekonferenz den Ausgangspunkt für eine Generalstreiksbewegung in der Steiermark darstellen. Sie könnten darüberhinaus auch längerfristig die Grundlage für den Aufbau einer Basisbewegung in den Gewerkschaften bilden. Eine solche Bewegung kann für eine Umwandlung der Gewerkschaft kämpfen. Weg von einer verbürokratisierten, den Klassenkampf ablehnenden, sich vor allem auf die obersten Schichten der ArbeiterInnenklasse orientierenden Struktur hin zu einer kämpferischen, demokratisch von unten kontrollierten und sich auf die breite Masse der unteren und mittleren Schichten der ArbeiterInnenklasse orientierenden Gewerkschaft.

Von größter Wichtigkeit ist auch die Herstellung einer breiten Solidaritätsbewegung im restlichen Österreich mit den kämpferischen KollegInnen in der Steiermark. Der Kampf der KollegInnen in der Steiermark ist in Wirklichkeit ein Kampf für alle in Österreich. Denn in allen Bundesländern drohen ähnliche Sparpakete. Gelingt es den KollegInnen in der Steiermark, die SPÖ/ÖVP-Regierung zu stoppen, bedeutet das einen Schlag gegen die geplanten Sparpakete in den anderen Bundesländern.

Großdemonstrationen – Streiks – Generalstreik - Besetzungen

Die große Gefahr besteht darin, dass der Widerstand seitens der Plattform und des ÖGB auf einzelne Demonstrationen beschränkt bleibt. Nur allzu leicht kann eine Situation entstehen, daß die Führung der Plattform 25 oder des ÖGB in den Tagen um den 27./28. April sagen: „Wir haben unser möglichstes getan. Leider hat der Landtag das Sparpaket beschlossen. Jetzt können wir auch nichts mehr machen.

Tatsache ist: die Zeit drängt! Uns bleiben nur noch wenige Wochen, vielleicht nur noch weniger als 14 Tage, um das Sparpaket der SPÖ/ÖVP-Regierung zu verhindern. Fortschrittliche AktivistInnen sollten jetzt den raschen Aufbau von Aktionskomitees, die Abhaltung von Versammlungen in den Betrieben, an den Schulen und in den Universitäten sowie die Einberufung einer Betriebsrätekonferenz anstreben. Sie sollten in der Plattform 25 und in den Gewerkschaften für eine Steigerung der Kampfformen eintreten. Es geht jetzt um die Entwicklung eines Plans für Ausweitung des Abwehrkampfes.

Die Großdemonstrationen haben gezeigt, wir breit die Bereitschaft zum Widerstand ist. Aber sie werden nicht ausreichen. Wir brauchen umgehend Streiks – und zwar nicht nur im Sozialbereich, sondern in allen wichtigen Betrieben. Industrie, Transport, öffentlicher Dienst, Dienstleistungsbetriebe – sie alle gilt es in eine Streikwelle einzubeziehen. Die Revolutionär-Kommunistischen Organisation zur Befreiung sagt: In den kommenden Wochen ist es notwendig, für einen Generalstreik in der Steiermark zu mobilisieren. Ein gemeinsamer Streik möglichst breiter Teile der ArbeiterInnenklasse und der Jugend – ein Generalstreik - darf nicht auf einzelne Tage beschränkt bleiben. Er sollte vielmehr so lange dauern, bis die Landesregierung das Sparpaket zurückzieht. Wir haben in Griechenland gesehen, daß eintägige Generalstreiks zwar am Beginn eines Kampfes durchaus Sinn machen können, aber vollkommen untauglich und ungenügend sind, um die geplanten schweren Angriffe der herrschenden Klasse zu stoppen. In diesem Sinne treten wir von der RKOB für einen unbefristeten Generalstreik gegen das Sparpaket ein.

Schließlich sollte die Protestbewegung in Steiermark auch von Kampftaktiken im Ausland lernen. In den USA hatten in Wisconsin die Gewerkschaften aus Protest gegen massive Kürzungen nicht nur gestreikt, sondern kurzzeitig auch das Kapitol – das Parlament des Bundesstaates – besetzt. Warum nicht auch in Graz den Landtag und den Regierungssitz, warum nicht die zentralen Verwaltungsgebäude in Leoben, Kapfenberg, Mürzzuschlag usw. im Zuge eines Streiks besetzen und den regionalen Staatsapparat lahmlegen?!

Eine solche Mobilisierung kann den ausreichenden Druck auf die Landesregierung erzeugen, damit diese ihr Sparpaket zurückzieht bzw. eine ausreichende Anzahl von Landtagsabgeordneten umfällt und gegen das Sparpaket stimmt. Ein Generalstreik könnte auch ein anfeuerndes Beispiel für die Lohnabhängigen und die Gewerkschaften im restlichen Österreich sein. Wir könnten so die rückschrittlichen Folgen der Niederlage im Kampf gegen das Sparpaket im Herbst 2010, die zu einer enormen Stärkung der FPÖ geführt hat, konsequent zurückschlagen und den Weg für zukünftige erfolgreiche Proteste bahnen.

 

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