Für die Befreiung des syrischen Volkes durch eine Revolution gegen die Assad-Diktatur!

Gegen jegliche Art von NATO-Intervention!

Von Nina Gunić

 

Nichts hat dieses Jahr so sehr geprägt wie die Revolutionen im Arabischen Raum. Mubarak in Ägypten, Ben Ali in Tunesien, Gaddafi in Libyen – die Diktatoren von Regimes, die sich über Jahrzehnte hinweg hielten, sind reihum gestürzt worden. Gleichzeitig haben die ArbeiterInnen, die Bauern und Jugendlichen Nordafrikas, die Fackel der Revolution entzündet, deren Leuchten auch andere Kontinente erreichte.

 

Ganz eindeutig wurden Bewegungen wie die derzeitigen Platzbesetzungen in Spanien, oder die „Occupation Movements“ in den USA und einigen Städten Europas von den revolutionären Ereignissen beflügelt. Und auch die Straßenkämpfe in Griechenland, der Aufstand der britischen Jugend im August dieses Jahres reihen sich in die Aufschwungphase der revolutionären Periode ein.


Die Ereignisse in Syrien, der Freiheitskampf des syrischen Volkes, ist daher in diesem internationalen Zusammenhang, in dieser weltgeschichtlichen Periode zu sehen. Der Verlauf des Befreiungskampfes der syrischen ArbeiterInnen und Bauern ist für die ArbeiterInnenklasse, wie für die antikapitalistische Bewegung weltweit von großem Interesse. Wie wir berichteten, beteiligten sich in Wien viele syrische AktivistInnen an der Demonstration gegen die kapitalistische Krise am 15. Oktober. Dies zeigt, daß eine Verbindung der antikapitalistischen Proteste und des Kampfes für die Arabische Revolution nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist.


Seit Beginn der Widerstandsbewegung (18.März 2011) wurden 3.000 AktivistInnen vom Regime hingerichtet wurden. Seit dem 15.Oktober sind nochmals um die 500 ermordete AktivistInnen hinzugekommen. Ein besonderes Symbol der Brutalität des Regimes stellen die jungen Jugendliche dar, die den Tod im Laufe der Proteste fanden. Der dreizehnjährige Jugendliche Hamza Al-Khatib wurde zum Gesicht des Widerstandes, als bekannt wurde, dass er von Polizisten während einer Demonstration aufgegriffen, verhört und gefoltert wurde bis er starb. Diese Brutalität treibt die Menschen Syriens einerseits stärker zu Widerstandsaktionen. Andererseits werden auch Rufe nach internationaler Hilfe laut. Am 29.Oktober kam es zu einer Massendemonstration in Homs wie auch in Hama, bei der ein NATO-Einsatz gegen das Assad Regime gefordert wurde. Angesichts der Erfahrungen der Widerstandsbewegung ist diese Forderung zwar verständlich, dennoch aber abzulehnen.

 

Nein zum NATO Einsatz! Nein zu jeglicher UN-Einmischung!

 

Eine zentrale Perspektive der derzeitigen Widerstandsbewegung in Syrien muss vielmehr sein: Kein Eingreifen der NATO, keine Einmischung der Vereinten Nationen! Die Befreiung des syrischen Volkes ist Sache des syrischen Volkes und der weltweiten ArbeiterInnenbewegung. Wir wollen unsere Brüder und Schwestern in Syrien nicht bluten lassen! Doch wie sich an so vielen Beispielen der Vergangenheit zeigt, haben militärische Interventionen der Großmächte und das Stationieren ihrer Truppen die Unterdrückung und das Gemetzel der Bevölkerung nicht verhindert, sondern oftmals sogar noch verstärkt. Regimes wurden eingesetzt, die zwar kein bisschen demokratischer waren, dafür aber den Großmächten als treue Untergebene dienten. Gerade auch die Geschichte Syriens, wo nach dem I. Weltkrieg die Herrschaft des Osmanischen Reiches durch die jahrzehntelange Kolonialherrschaft durch das imperialistische Frankreich abgelöst wurde, zeigt das.


ZivilistInnen, allen voran ältere Menschen, Kinder und Frauen wurden von US-Hubschraubern aus niedergeschossen. In Bosnien haben die UN-Soldaten das Massaker von Srebrenica 1995 nicht nur ohne Einzugreifen mit verfolgt. Es wurden sogar etliche bosnische Frauen von Blauhelmen vergewaltigt. Etwas, dass seitens der UN-Soldaten durchaus üblich ist. Alleine im Jahr 2007 wurden mehr als 700(!) UN-Soldaten angeklagten, Frauen und Mädchen in der Elfenbeinküste mehrfach vergewaltigt haben. Oder erst vor wenigen Monaten, als ebensolche Vorfälle aus Haiti bekannt wurden. Gemetzel und Massenvergewaltigungen als „humanitären Einsatz“ zu verkaufen ist mehr als blanker Hohn!


Auch die Regimes, die von den USA eingesetzt waren, sind keineswegs „demokratisch“. Lange noch bevor der verstorbene Jörg Haider Gelder von Saddam Hussein bezogen hatte, war der irakische Diktator ein enger Freund des US-Imperialismus gewesen. Unter anderem verkaufte ihm Washington das Giftgas, das die irakische Armee gegen KurdInnen einsetzte. Hosni Mubarak, der gestürzte Diktator Ägyptens, war noch bis vor kurzem ein enger Freund der USA und sein Regime eines der treuesten gegenüber dem US-Imperialismus. Angesichts der massiven Unterdrückung des ägyptischen Volkes durch das Regime Mubaraks sind die Bilder eines lächelnden Präsident Obama, Arm im Arm mit dem strahlenden Mubarak und die hochtrabenden Sprüche von „Freiheit! Demokratie!“ der US-Politiker mehr als zynisch.


Doch nicht nur der militärische Eingriff im Sinne eines Stationierens oder eines Einmarsches von Truppen ist aus den genannten Gründen abzulehnen. Auch eine Flugverbotszone zu fordern ist falsch. Unabhängig von der Tatsache, dass solche Maßnahmen keine weiteren Morde an syrische FreiheitskämpferInnen verhindern (ebenso wenig wie sie weitere Massaker an Kosova-AlbanerInnen verhindern konnte), sind sie genauso ein Mittel der Einmischung, um die Interessen von Großmächten in dem Gebiet zu sichern. Denn sie geben den imperialistischen Großmächten einen Vorwand, ein Einfallstor für stärkere militärische Maßnahmen in naher Zukunft. Da die kämpferische Bevölkerung Syriens in erster Linie mit Bodentruppen des Regimes und deren Panzern angegriffen wird, mildert eine Flugverbotszone in jedem Fall auch nicht die Angriffe des Regimes. Es nützt daher dem Widerstand kein bisschen, sondern lediglich den Imperialisten.

 

Stattdessen: Internationale Solidarität des Proletariats!

 

Die Großmächte haben kein wirkliches Interesse an den Erfolgen von Revolutionen, geschweige denn an echter Demokratie – weder in ihrem eigenen Land, noch im Arabischen Raum. Gleichzeitig aber ist es mehr als richtig, dass internationale Solidarität für das unterdrückte Syrische Volk wichtig ist. Doch diese Art Solidarität, eine tatsächliche Hilfe für die Unterdrückten Syriens, muss von der ArbeiterInnenbewegung international organisiert werden – und nicht von der herrschenden Klasse, die nur ihre Profitinteressen im Sinn hat.


Als Bolschewiki-KommunistInnen fordern wir die ArbeiterInnenbewegung, die Gewerkschaften und ihre Organisationen in Österreich und international auf, eine Solidaritätskampagne mit dem Volk Syriens aufzubauen. Dazu gehört nicht nur die Unterstützung der Bevölkerung mittels Medikamenten usw. sowie Solidaritätsaktionen in verschiedenen Länder, sondern auch die Organisierung und Belieferung des syrischen Widerstandes mit allen Mitteln, die sie braucht – einschließlich Waffen. Die ArbeiterInnenbewegung hat sowohl die Strukturen als auch die finanziellen Mittel eine solche Kampagne aufzubauen. Es ist Aufgabe der internationalen ArbeiterInnenklasse, der unterdrückten Klasse weltweit, ihren Brüdern und Schwestern in Syrien zur Seite zu stehen! Wirkliche Internationale Solidarität ist immer die internationale Solidarität unserer Klasse!

Gleichzeitig muss eine solche Kampagne nicht nur in Zusammenarbeit mit dem syrischen Widerstand, sondern auch unter der Kontrolle der Gewerkschaften und ihrer Basis stehen. Denn Allzugerne werden Spenden in die Tasche der Funktionäre umgeleitet. Darüberhinaus muss eine solche Kampagne mit politischen Solidaritätsaktionen verbunden werden. Solidaritätsaktionen wie Kundgebungen, Demonstrationen, usw. sind wichtige Mittel, zu denen die ArbeiterInnenbewegung greifen muss. Dazu bedarf es der Gründung von breiten, unabhängigen Solidaritätskomitees. Wir fordern die Gewerkschaften und anderen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung (inklusive ihrer Führungen) auf, eine solche Solidaritätskampagne zu unterstützen. Wichtig ist hier v.a., daß eine solche Kampagne von den ArbeiterInnen und AktivistInnen an der Basis getragen selbst getragen und organisiert wird. Auf diese Art lässt sich demokratisch von unten, und nicht wie es in der Gewerkschaft üblich ist von oben herab durch unkontrollierbare Funktionäre, bestimmen welche Aktionen ergriffen werden und welche Lieferungen erfolgen sollen.

 

Perspektiven des Befreiungskampfes

 

Neben der Notwendigkeit des Aufbaus einer solchen internationalen Solidaritätsbewegung, ist auch folgendes von zentraler Bedeutung: Die Stärkung und Ausweitung des Widerstandes des syrischen Volkes bis hin zu einer vollendeten, sprich einer sozialistischen Revolution! Ägypten ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass auf eine unfertige Revolution, die beim Sturz des Regimes verbleibt ohne eine Alternative aufzubauen, rasch ein neues Unterdrücker-Regime folgen kann. Der Militärrat in Ägypten schränkt nicht nur die demokratischen Rechte der Bevölkerung weiter ein, er beantwortet den Widerstand des Volkes ebenso mit Blutvergießen. Wird eine Revolution, wird der Sturz eines Regimes nicht mit der Entmachtung der gesamten Klasse, die hinter der Unterdrückung steckt, verbunden, endet die Revolution letztlich in der Niederlage. Umso wichtiger ist es für den Widerstand in Syrien aus diesen Fehlern zu lernen!


Bisher wurden in einzelnen Städten – den Zentren des Widerstandes – mehrtägige Generalstreiks organisiert. Was der Widerstand braucht ist einen landesweiten, unbefristeten Generalstreik in Verbindung mit der Schaffung von ArbeiterInnen-, Bauern-, und Soldatenräten. Solche Räte sind Strukturen, die sich in den Betrieben, den Dorfzentren, den Ausbildungsstätten und Kasernen bilden und die zum Kampf bereits Volksschichten umfassen. Es bedarf ebenso der organisierten Bewaffnung der Räte und der Schaffung von Milizen, um gegen die Militär-Maschinerie des Assad-Regimes ankämpfen zu können. Ein Generalstreik, der landesweit und unbefristet organisiert wird, wirft sehr rasch die Frage der Macht in den Betrieben, wie im gesamten Staat auf. Das bedeutet konkret, dass es zu blutigsten Auseinandersetzungen mit den Verteidigern des Regimes kommt. Es bedeutet, dass die ArbeiterInnenklasse die Kontrolle über die Betriebe wie über den ganzen Staat ergreifen muss. Eine solche Diktatur der Mehrheit, ist die Vorbereitung einer tatsächlichen Demokratie – des Sozialismus, gestützt auf Räten. Die Zeit drängt für den syrischen Widerstand diese Schritte zu gehen. Denn wenn die Machtergreifung der unterdrückten Klasse ausbleibt, wird ein Regime – mit welchem Gesicht auch immer – bestehen bleiben, bei dem die alte herrschende Klasse der KapitalistInnen weiterhin ihre Macht ausübt. Und in diesem Fall geht die Ausbeutung und Unterdrückung der Mehrheit der Bevölkerung Syriens weiter.

 

Keine siegreiche Revolution ohne revolutionäre Partei

 

All die Aufgaben auf dem Weg zum Sieg des syrischen Widerstandes machen folgendes klar: Ohne eine Partei des Widerstandes, eine Partei der Revolution, eine Partei der ArbeiterInnenklasse und der Unterdrückten können all diese Schritte kaum umgesetzt werden. So wie die herrschende Klasse ihren Apparat hat und braucht, so braucht auch unsere Klasse ein Instrument um ihre Interessen umzusetzen. Genau diese Tatsache wird schmerzlich bewusst, wenn wir auf die unfertigen Revolutionen in Ägypten, in Tunesien und Libyen blicken. Ohne eine revolutionäre Partei ergreifen andere politische Kräfte das Ruder, und stoßen die unterdrückte Klasse wieder in das Joch der Unterdrückung. Sie können verschiedene Formen annehmen – von islamistisch über liberal, von Militärregime über autoritäre Regierung: Sie alle dienen im gleichen Maß der herrschenden Klasse der KapitalistInnen und bringen nehmen uns die Freiheit für die wir kämpfen. Selbst die einfachsten demokratischen Grundrechte lassen sich nicht in einer weitergehenden Herrschaft der KapitalistInnen verwirklichen. Und selbst wenn die Revolution bestimmte Reformen erringt, können sie wie in Ägypten bald wieder zurückgenommen werden.


Der Aufbau der revolutionären Partei, die den Kampf der ArbeiterInnen und Unterdrückten organisiert, ist daher mehr als dringend. Eine solche Partei muss aus den kämpferischsten Teilen des Widerstandes gebildet werden und auf einem revolutionären Programm stehen. Sie muss fähig sein, die richtigen Losungen zur richtigen Zeit auszugeben um den Sturz des Regimes durch eine Revolution in Verbindung mit der Machtergreifung des Proletariats möglich zu machen. Ohne eine solche Partei ist der Widerstand FührerInnen überlassen, die nicht fähig und nicht willens sind die tatsächliche Befreiung der Unterdrückten anzuleiten. Mehr als 3.500 Tote, 10.000e Inhaftierte, und blutigste Auseinandersetzungen mit dem Regime zeigen: Der Weg der Revolution führt über den Aufbau einer revolutionären Kampfpartei, die wenn nicht für heute so zumindest für morgen den Sturz des Regimes und der Unterdrückung ein für alle mal möglich macht – oder sie führt in weitere Jahre der Unterdrückung und Ausbeutung.