Jemen: Für eine „zweite Revolution“!

Für eine Regierung der Arbeiter&Fallahin

Erklärung der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT)

www.rkob.net, 23.12.2014


1. Die Regierung Jemens hat die Treibstoffsubventionen abgeschafft, was einen Anstieg der Preise für Benzin und Diesel um 60% bis 90% zu Folge hat. Als Folge davon werden die Kosten für Lebensmittel und andere Produkte für Grundbedürfnisse deutlich erhöht. Dies ist ein brutaler Angriff auf die Werktätigen des ärmsten Landes der arabischen Welt. Schon vor diesen neuen Angriffen lebte die Hälfte der Bevölkerung Jemens offiziell in Armut.


2. Die jemenitischen Massen haben mit Schock und Wut auf diese soziale Barbarei reagiert. Seit dem 20. August sind zehntausende und hunderttausende Menschen immer wieder durch die Straßen von Sanaa marschiert und fordern, dass die Kürzungen bei den Treib­stoffsubventionen zurückgenom­men werden und dass die Regier ­ung zurücktritt. Aktivisten haben zwei provisorischen Protestcamps im Norden und Süden der Stadt eingerichtet. Die Proteste werden von der Houthi-Bewegung organ­isiert - eine kleinbürgerliche Be­wegung mit breiter Unterstützung unter der großen schiitischen Min ­derheit (etwa 35% der Bevölker­ung), die traditionell diskriminiert wird. Der Houthi-Führer al-Houthi Abdulmalek hat Jemens Präsident Abd Rabbu Mansour Hadi ein Ultimatum gestellt, um die For­derungen der Demonstranten zu erfüllen bevor “andere Schritte” ergriffen werden. Und tatsächlich, am 2. September sah sich der Präsi ­dent gezwungen, seine Regierung zu entlassen. Er schlug auch eine nationale Einheitsregierung und die Wiedereinführung von Treibst­offsubventionen ein. Ohne Zweifel existiert heute im Jemen eine vor­revolutionäre Situation.


3. Die Preissteigerungen zei­gen den durch und durch bürgerli­chen Charakter der Regierung, die von der bürgerlichen, der Muslim ­bruderschaft nahestehenden, Islah- Partei geführt wird. Die Regierung setzt die Vorgaben des Internatio­nalen Währungsfonds sowie des reaktionären Regimes von Saudi- Arabien um. Beide haben Subven ­tionskürzungen als Vorleistung für Kredite von 560 Millionen Dollar (IWF) und 2 Milliarden Dollar (Saudi-Arabien) gefordert.


4. Wir sehen in Jemen einen ähnlichen Prozess wie in vielen anderen Ländern. Die Monopole, die die Weltwirtschaft dominie­ren – die großen Konzerne und die globalen Finanzinstitutionen – üben Druck auf die halbkolonialen Länder des Südens aus. Die Mono ­pole bereichern sich mit Forder­ungen nach hohen Zinszahlungen für Darlehen und die Vergabe von Lizenzen für die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes. In der Regel finden diese Monopole bei den kapitalistischen, bürgerli­chen Lakaien in den Regierungen dieser Länder willfährige Hand­langer, um solche Forderungen durchzusetzen. Im Austausch für ihre Dienste werden diesen sta ­atlichen Agenten des Imperialis­mus exorbitante Vorteile und ein luxuriöses Leben für sich und die Familien gewährt.


5. Die unpopuläre Politik der Islah-Regierung demonstriert wie­der einmal, die unvollendete Natur der Revolution von 2011. In diesem Jahr erhoben sich die ArbeiterIn ­nen und Fallahin (Bauern in ara­bischer Sprache, d.R.) heldenhaft gegen den pro-imperialistischen Diktator Ali Abdullah Saleh. Die ­ser regierte zunächst als brutaler Herrscher Nordjemens von 1978 an und später, ab dem Jahr 1990, des gesamten wiedervereinigten Jemen. Im Jahr 2011 besetzten die Demonstranten zentrale Plätze in Sanaa und kämpften gegen die reaktionären Schläger des Regimes. Schließlich gelang es ihnen, Saleh zum Rücktritt zu zwingen. Doch statt die einer durchgreifenden Revolution blieben die wichtigsten Institutionen des alten Regimes erhalten und Salehs Stellvertreter Hadi wurde der neue Präsident. Die Hoffnungen der Massen wur ­den verraten und enttäuscht.


6. Deshalb demonstrieren viele Menschen zu Recht gegen die Regierung und fordern eine “zweite Revolution”. Und in der Tat ist es das, was die Volksmassen im Jemen brauchen! Aber um dies zu erreichen, müssen die Lehren aus der unvollendeten Revolution von 2011 gezogen werden. Die Rev­olution darf sich nicht, mit einem einfachen Austausch von Personen an der Spitze des Staatsapparates begnügen. Vielmehr müssen sie auf die Gründung neuer, auf Räten beruhende, demokratische Organe abzielen, die den alten diktato­rischen Staatsapparat, der einen fruchtbaren Boden für Korruption und Missbrauch bietet, ersetzt. Solche Räte sollten aus regelmäßigen Versammlungen der ArbeiterInnen an ihren Arbeitsplätzen und der Volksmassen in ihren Stadtteilen und Dörfer hervorgehen, in denen über die dringendsten Fragen des gesellschaftlichen Lebens diskuti­ert und abgestimmt werden kann. Diese Versammlungen sollten Delegierten wählen, die dann Stadt-, Dorf- und Regionalräte bilden. Letztlich sollte aus solchen direkten, demokratischen Organen eine Regierung gewählt werden. Alle TeilnehmerInnen – auch die gewählte Regierung – müssen zur Rechenschaft gezogen werden können und durch die regelmäßi­gen Treffen abrufbar sein. Eine solche Regierung könnte niemals gegen die Wünsche der Menschen handeln, da sie direkt von der Masse gewählt wurde. Eine sol ­che ArbeiterInnen-und Fallahin- Regierung darf sich nicht auf die alte und korrupte Armee, verlas ­sen, sondern muss sich auf die Macht der bewaffneten Volksmili­zen stützen. Eine solche Regierung würde Jemens Abhängigkeit von den imperialistischen Monopolen durchbrechen und die Schlüsselsektoren der Wirtschaft würden unter Arbeiterkontrolle verstaatli­cht werden.


7. Gegenwärtig ist die drin­gendste Aufgabe, eine breite Massenbewegung angeführt von der ArbeiterInnenklasse auf­zubauen. Eine solche Bewegung muss jegliche Spaltung zwischen den Religionsgruppen vermeiden. Sunnitische und schiitische Arbe­iterInnen und Bauern müssen sich auf der Grundlage von Respekt und Toleranz für Glauben und Kultur des jeweils anderen zusam ­menschließen. Die Bewegung muss auf dem Prinzip der Solidarität mit allen Minderheiten gestützt werden. Um zu vermeiden, dass die die Proteste erneut verraten werden, ist es wichtig, dass die Massen regelmäßige Treffen – zum Beispiel, in den beiden derzeit bestehenden Protestlagern sowie in Betrieben und Stadtteilen – ab­halten. Entscheidungen über die nächsten Schritte im Kampf gegen die Regierung dürfen nicht von ein paar nicht-gewählten Führern gemacht werden, sondern durch Massenvolksversammlungen. Ebenso sollten die ArbeiterInnen und Bauern Selbstverteidigungs­gruppen bilden, um gegen Angriffe von der Polizei zu kämpfen. Das zentrale Ziel sollte sein, das gesa ­mte Regime zu stürzen und eine Regierung der ArbeiterInnen und Fallahin zu etablieren.


8. Am wichtigsten ist, dass die ArbeiterInnen eine neue Par ­tei aufbauen, die unabhängig von Kapitalisten, imperialistischen Institutionen und bürgerlichen Par­teien ist. Eine solche Partei sollte sich auf die ArbeiterInnenklasse stützen und für eine sozialistische Revolution zu kämpfen. Sie sollte sich darauf orientieren, sich inter­national mit dem Kampf der Arbe ­iterInnen und den Unterdrückten in anderen Ländern zu vereinen – in Palästina und Ägypten, Brasil­ien, China, Griechenland und den USA. Um dies zu tun, muss diese Partei Teil der fünften ArbeiterIn ­nen Internationale sein.

Das ist es, wofür die RCIT kämpft!


* Für die sofortige Aufhebung aller Preissteigerungen! Nieder mit Präsi­dent Hadi und der Islah-Regierung!


* Für die Gründung von Volksmassen­versammlungen, um die Protestbewe­gung demokratisch zu führen!


* Für eine Massenbewegung, die sunnitischen und schiitischen Arbeit­erInnen und Bauern vereint und die auf Solidarität und Respekt für alle Gruppen basiert!


* Für eine Arbeiter und Fallahin- Regierung, die sich auf Volksmilizen stützt und die die ausländischen Konzerne und die eiheimischen reichen Kapitalisten enteignen werden! Für die Verstaatlichung der Schlüsselin­dustrien und Banken unter Arbeiter­Innenkontrolle!


* Solidarität mit dem palästinensisch ­en Befreiungskampf! Verteidigt Gaza - besiegt Israel!


* Nieder mit der reaktionären Mil ­itärdiktatur von General al-Sisi in Ägypten!


* Nieder mit der reaktionären Monar ­chie Saudi-Arabiens!


* Die arabische Revolution, die im Jahr 2011 begonnen hat muss erneuert und erweitert werden!


* Für ein vereintes, sozialistisches Jemen als Teil einer sozialistischen Föderation des Nahen Ostens!


* Vorwärts im Aufbau einer revolu ­tionären Arbeiterpartei als Teil einer Fünften Internationale!