Die Weltlage und die Euro-Krise

Anmerkung der Redaktion: Unsere Organisation RKOB wurde von Mitgliedern, die vormals in der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) organisiert waren gegründet. Den folgenden Text  zählt RKOB somit zu ihrem programmatischen Erbe.


Martin Suchanek, Neue Internationale 155, Dezember 2010/Januar 2011

http://fifthinternational.org/


Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Die Ursachen der globalen Krise des Kapitalismus sind keineswegs beseitigt.


Trotzdem wäre es für jede marxistische Organisation fahrlässig, sich mit der Widerholung der für sich genommen durchaus richtigen Einschätzung zu begnügen, dass die längere, historische Krisenperiode, in die der Kapitalismus seit 2007 eingetreten ist, weitergeht, dass die grundlegenden Probleme der Weltwirtschaft nicht beseitigt sind und die Konkurrenz zwischen den Kapitalien, Staaten und Blöcken weiter verschärft wurde.


Für eine Einschätzung der aktuellen Entwicklung ist das jedoch ganz und gar ungenügend, da so die zunehmenden Ungleichheit der internationalen wirtschaftlichen Entwicklung und die daraus resultierenden politischen Veränderungen nur allzu leicht aus dem Blick geraten.


Die Weltwirtschaft


Zunächst einige Kennziffern zur aktuellen Lage der Weltwirtschaft. Die globale Produktion erreichte lt. Sachverständigenrat der Bundesregierung Mitte 2010 wieder das Niveau vor der globalen Rezession. Auch der Welthandel hat fast Vorkrisenniveau erreicht.


Die Volkswirtschaften Chinas, Indiens und Brasiliens sind 2010 massiv gewachsen, während Japan, USA und ein großer Teil der EU nur geringes und fragiles Wachstum zeigten.


Unter den etablierten Zentren des Weltkapitalismus manifestiert sich zugleich auch eine Verschiebung. Die BRD hat einen deutlichen Aufschwung der Industrieproduktion und der Exportwirtschaft, mittlerweile aber auch ein Wachstum des Privatkonsums zu verzeichnen. Mitte 2011 wird die Produktion aller Voraussicht nach das Vorkrisenniveau erreichen.


Die Aufschwungphase der Weltwirtschaft ist zwar labil, dürfte aber 2011 andauern. Aber hinter eine solche Einschätzung verbergen sich enorme Ungleichgewichte:

• China, Indien, Brasilien werden versuchen, ihr größeres Gewicht in der Weltwirtschaft weiter auszubauen;


• die USA und Japan befinden sich weiter in einer von Stagnation geprägten konjunkturellen Lage;


• die USA und die meisten Länder in EU - darunter wichtige imperialistische Staaten wie Britannien und Frankreich - haben einen enormen Anstieg der Verschuldung zu verzeichnen;


• der Dollar als dominierender Währung hat weiter Boden verloren, aber auch der Euro befindet sich in einer Krise;


• das führt zu verschärfter Konkurrenz, die u.a. als Kampf zwischen den Währungskursen ausgetragen wird;


• die US-Hegemonie hat weiter abgenommen; auch die Ergebnisse der Kongresswahlen und Skandale wie wikileaks haben zu einer weiteren Schwächung der US-Regierung geführt;


• Institutionen wie die G8 sind - jedenfalls in unmittelbarer Zukunft - durch die G20 ersetzt worden, was politisch die Veränderung der Weltwirtschaft zum Ausdruck bringt.


Kurzum, die kommende Phase des Aufschwungs wird nicht nur durch eine Vertiefung der ungleichen konjunkturellen Entwicklung und die weitere Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte, sondern auch durch verschärfte ökonomische und politische (und letztlich auch vorbereitende militärische) Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten bzw. entstehenden Blöcken geprägt sein.


Die Krise in Europa


Die EU und die Eurozone stellen einen Brennpunkt der globalen Entwicklung dar. Nach den Währungsspekulationen gegen Griechenland stehen nun Irland, Spanien, Portugal im Brennpunkt des Finanzkapitals. Der Staatsbankrott droht.

Diese massive Schuldenkrise wurde maßgeblich durch das Euro-System verstärkt und vorangetrieben. Einerseits machte diese Währung Länder wie Irland für Kapitalanlagen an Börsen und in Immobilien attraktiv. Die Regierungen taten alles, um überschüssiges, Anlage suchendes Kapital durch extrem geringe Steuersätze für Unternehmen anzuziehen. So hat Irland eine der geringsten Kapitalbesteuerungen der Welt - und diese soll nur als letzter Hort der „irischen Unabhängigkeit“, also als Freiheit möglichst großer Gewinnabschöpfung für ausländisches Kapital verteidigt werden.


Diese Konstellation - großer Kapitalzufluss spekulativer Investoren - führte in der Dekade vor der Krise (teilweise schon davor) zu einem auf den ersten Blick beeindruckenden Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Spanien galt als dynamisches, aufholendes Wirtschaftswunder. Irland wurde zum „keltischen Tiger“, der jetzt als Bettvorleger in den Korridoren seiner Kreditgeber zu landen droht. Die Krise zeigte jedoch, dass das Wachstum v.a. auf Pump basierte.

Hinzu kommt, dass der Euro-Mechanismus keineswegs alle Staaten der Euro-Zone gleich trifft. Die Einheitswährung bedeutet natürlich auch, dass den schwächeren Ökonomien jede Möglichkeit der Abwertung ihrer Währung verschlossen bleibt. Damit werden ihnen zwei klassische Mittel verschlossen, ihre Position durch Abwertung der Schulden und durch Verringerung der Preise ihre Exporte etwas zu bessern.


Wirtschaftlich verdeutlicht das erstens das reale ökonomische Kräfteverhältnis, das in der Aufschwungphase des Konjunkturzyklus zu Beginn bis Mitte des Jahrzehnts verzerrt erscheint. Noch wichtiger ist aber, dass der Euro-Mechanismus jetzt dazu führt, dass sich die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse noch viel rascher zugunsten der stärksten Macht und einiger ihr nahe stehender Ökonomien verschieben.


So ist die BRD innerhalb der EU eindeutig Krisengewinnler auf Kosten der schwächeren Ökonomien Südeuropas, aber auch der Hauptkonkurrenten Frankreich und Britannien. Neben Deutschland sind es einige seiner „Vasallen“ und die skandinavischen Länder, die ebenfalls relativ gestärkt aus der Krise kamen, deren wirtschaftliches und politisches Gewicht aber nicht zentral für die EU ist.


Dieser Verschiebung wohnt nicht nur inne, dass deutsche Unternehmen einheimische Produzenten verdrängen, dass also die Vernichtung deutschen Kapitals vermieden wird durch jene anderer Unternehmen. Es führt auch dazu, dass das deutsche Finanz- und Monopolkapital seine dominierende Stellung durch Aufkäufe auszubauen trachtet, dass wir also einen Prozess der Zentralisation des Kapitals sehen, der v.a. dem deutschen Kapital zugute kommt.


Deutschland stärkt seine Vorherrschaft


Für das deutsche Kapital geht es aber nicht nur darum, die Krise zu nutzen, um mehr Geld zu scheffeln und Konkurrenten zu verdrängen.

Für den deutschen Imperialismus sind die EU und der Euro zwei zentrale Mittel, um seine Ambitionen als kapitalistische Weltmacht voranzutreiben. Zweifellos gab es hier in den letzten Jahrzehnten wichtige Fortschritte, die z.B. in der Einführung des Euro, in der europäischen Zentralbank, in der Agenda von Lissabon und den europäischen Verträgen mündeten.


Das ändert aber nichts daran, dass die EU noch lange kein Staat geworden, sondern noch immer ein Staatenbund ist - wenn auch unter der Dominanz der BRD und Frankreichs.


Für den Geschmack der deutschen Imperialisten haben aber - und von ihrem Standpunkt aus ist das folgerichtig - die „kleineren“ Staaten noch immer viel zu viel zu sagen. Der Europäische Verfassungsvertrag musste immer wieder umgemodelt werden, um Interessen einzelner Staaten zu befriedigen. V.a. aber lässt der politische Mechanismus der EU zu viele Einspruchmöglichkeiten zu - nicht nur kleinerer Staaten, sondern v.a. auch Britanniens -, die eine effektive Umsetzung imperialistischer Interessen im deutschen Sinne verlangsamen oder gar blockieren.


Die aktuelle Schuldenkrise in Europa wirft daher für die deutsche Regierung und das Kapital nicht nur ökonomische Fragen auf (Sicherung der Milliardenkredite deutscher Banken, Sicherung zukünftiger Schuldendienste und damit von Milliardengewinnen, Aufkauf von Unternehmen in anderen Ländern etc.).

Es geht auch darum, dass die Schuldenkrise als politischer Hebel gegenüber schwächeren Ökonomien dienen soll, um deren Abhängigkeit vom deutschen Imperialismus zu stärken und deren wirtschaftliche und politische Unterordnung zu vergrößern.


Daher auch das Gezerre, das es schon bei der EU-„Hilfe“ für Griechenland gab. Damals ließ v.a. die BRD Griechenland zappeln, um dann umso deutlicher ihre Bedingungen im Namen von EU und IWF diktieren zu können.

Im Fall Irland zeigt sich das daran, dass die Irische Regierung verzweifelt versuchte, ein EU-Rettungspaket und damit die Abgabe realer politischer und wirtschaftlicher Macht an von der BRD beherrschte EU-Institutionen zu verhindern.


Konfliktpotentiale


Es geht also für den deutschen Imperialismus wieder einmal darum, „Europa zu organisieren“, genauer um ein neues Stadium davon.

Natürlich ist diese Strategie nicht ohne Risiken. Allein, dem deutschen Kapital und seinem Staat bleibt angesichts der permanenten Neuaufteilung der Welt, des Kampfes um Einflusssphären und Märkte in der imperialistischen Weltordnung keine Wahl.


Es gibt drei Hauptrisiken:


• Die Schuldenkrise und die Kämpfe um deren „Management“ können zu einer wirklichen Destabilisierung des Euro führen oder jedenfalls zu einem Schrumpfen der europäischen Absatzmärkte und damit auch zu einer Gefährdung des konjunkturellen Aufschwungs in Deutschland. Ob es dazu kommt und in welchem Ausmaß, hängt nur bedingt von der Lage in Europa ab, sondern v.a. von der Entwicklung der Weltwirtschaft und der Fähigkeit, andere imperialistische Institutionen wie den IWF und Staaten in „Rettungspakete“ zu integrieren.


• Die Politik der BRD, ihre Kampf um Vorherrschaft in der EU verschärft auch die Konflikte mit den Bourgeoisien anderer Staaten. Doch diese sind in einer sehr schlechten Lage, den Forderungen aus Brüssel, Berlin oder vom IWF wirklich entgegenzutreten, weil sie immer schwerer Kredite erhalten. Zweifellos können auch einige dieser Regierungen mit einem Austritt aus der Euro-Zone drohen - diese Drohung ist aber gerade bei kleineren Staaten nur sehr bedingt wirksam, da eine Verwirklichung dieser „Drohung“ ihre eigenen Länder wahrscheinlich viel härter treffen würde als den Euro und die Euro-Zone, da sie dann erst recht ohne stabile und damit kreditwürdige Währung dastünden und obendrein ihr Zugang zum europäischen Markt erschwert wäre. Ihre Krise würde sich wahrscheinlich sogar vertiefen.


Anders ist es um stärkere imperialistische Staaten bestellt. Natürlich geht es auch hier um eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses. Aber hier wird sich rasch zeigen, dass diese für den deutschen Imperialismus ein anderes Gewicht haben als z.B. Griechenland, dass es Wege und Mittel geben wird, ihnen „Sonderkonditionen“ zu gewähren. Das trifft v.a. auf das deutsch-französische Verhältnis zu, das für die Verwirklichung der Interessen des deutschen Imperialismus aktuell von grundlegender Bedeutung ist, weil ein Bruch der Achse Berlin-Paris tatsächlich die EU an den Rand des Zusammenbruchs bringen könnte. Wir können aber davon ausgehen, dass beide Mächte eine solche Entwicklung mehr fürchten als Kompromisse untereinander (vorzugsweise natürlich solche, die dann auf Kosten dritter gehen).


• Der dritte und wichtigste Faktor ist jedoch der Klassenkampf. In praktisch allen hochverschuldeten Ländern, aber auch stagnierenden Ökonomien wie Frankreich gibt es strategische Angriffe auf die gesamte Arbeiterklasse, auf die Jugend, aber auch das Kleinbürgertum und die Mittelschichten.

Die Lohnabhängigen aber auch andere, nichtausbeutende Schichten und Klassen sollen hier mit voller Wucht für die Krise zahlen.


Diese Angriffe haben zweifellos eine andere Qualität als die Angriffe hier und haben v.a. im letzten Jahr, als die neuerliche Spekulationswelle gegen die Schulden diese Länder überrollte, auch zu einem enormen Anwachsen des Widerstands geführt.


In Griechenland und Frankreich haben die Kämpfe eine vorrevolutionäre Dimension erreicht. In beiden Fällen aber wurden die Bewegungen geschlagen, wenn auch nicht endgültig. In Portugal, Spanien, Griechenland, Italien und Britannien stehen wir am Beginn einer Welle von Massenmobilisierungen, teils auf die studentische Jugend, teils auf die gesamte Arbeiterklasse konzentriert.

In jedem Fall ist das der entscheidende Fakt, der sowohl die Politik der jeweiligen Regierungen, wie auch jene der imperialistischen Strategen in Deutschland und anderswo zu Fall bringen und eine Offensive des Arbeiterwiderstandes einläuten kann.


Krise und Imperialismus


Dieser Faktoren gilt es sich immer bewusst zu sein, wenn wir die Politik der verschiedenen Staaten und deren Handlungsspielräume beurteilen. Die Imperialisten und ihre Think Tanks in Ministerien, Stiftungen, Unis, Parteien oder beim Militär sind sich dieser Konfrontation durchaus bewusst.

Dieses Bewusstsein fehlt allerdings großen Teilen der Gewerkschaften, der SPD, der Linkspartei und der „radikalen Linken“.


Hier ist eine starke Tendenz vorhanden, die gegenwärtige Krise der EU und des Euro nur als Finanz-Frage und als Frage neoliberaler Politik zu betrachten, den Kampf um politische und wirtschaftliche Vorherrschaft in Europa weitgehend außen vor zu lassen.


Das greift aber viel zu kurz, weil damit die Ziele der deutschen Politik u.a. imperialistischer Staaten nur verkürzt in Erscheinung treten und andere gar nicht fassbar werden.


Wie wir gesehen haben, besteht ein zentrales Moment der gegenwärtigen Lage darin, dass es in den Ländern Süd- und Westeuropas gigantische Sparprogramme und strategische Angriffe auf die Lohnabhängigen, aber auch auf die Mittelschichten gibt.


Ohne Zweifel gibt es auch enorme Angriffe hierzulande. Aber die wirtschaftliche, dominierende Rolle des deutschen Imperialismus hat auch dazu geführt, dass er aus der Krise viel rascher herauskam. So konnte die deutsche Großindustrie nicht nur gerettet werden, sondern sie fährt jetzt die Produktion massiv hoch.


Diese Entwicklung drückt sich auch in einem geringeren Wachsen der Staatsverschuldung in Deutschland aus.


Und schließlich gibt es jetzt auch wieder Konzessionen an die industriellen Kernschichten der Arbeiterklasse.


Während es in vielen europäischen Ländern einen Generalangriff auf die Lohnabhängigen gibt und Kürzungen von 10-20 Prozent der Einkommen im Öffentlichen Dienst angedroht werden, stehen in der BRD in erster Linie die Ärmsten der Armen unter Beschuss - sei es durch rassistische Hetze, sei es durch Verschärfungen für Hartz-IV-EmpfängerInnen.


Die Gewerkschaften und die Arbeiteraristokratie hingegen sollen mit Brosamen eingebunden werden und im Kampf um den „Standort“, um „unser“ Unternehmen, um „unser“ Land mitmachen.


Die überlegene Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals schafft dabei eine Basis für die Integration bestimmter Arbeiterschichten - der „Aristokratie“ der Arbeiterklasse - und damit auch für die sozial-chauvinistische Politik der Gewerkschaften.


Genau dieser Zusammenhang gerät aber vollständig aus dem Blick, wenn die Krise nur als eine des Neoliberalismus, nur als die einer bestimmen Form des Wirtschaftens betrachtet wird und nicht als Krise des imperialistischen Gesamtsystems.


Dabei es genau dieser Zusammenhang, der entscheidend ist, um zu verstehen, warum der Widerstand gegen die Angriffe in der Krise weitgehend ausblieb. Die Führung des DGB und der Einzelgewerkschaften haben v.a. die Konkurrenzbedingungen der deutschen Unternehmen verteidigt. Diese halten sie für grundlegend, um überhaupt „Umverteilungsspielräume“ zu haben.


Doch diese Politik führt nicht nur zum Stillhalten in Deutschland, sie führt auch dazu, dass die notwendige Klassensolidarität mit den kämpfenden ArbeiterInnen und Jugendlichen in anderen Ländern ausbleibt. Bestenfalls hat sie symbolischen Charakter, im Grunde aber wird sie hintertrieben, weil den Gewerkschaftsbürokraten ihr „Land“ allemal näher steht als das Schicksal von Millionen außerhalb Deutschlands.


Diese Politik hat natürlich Nationalismus und Chauvinismus nicht allein erzeugt. Aber sie ist hauptverantwortlich dafür, dass dieses reaktionäre Gedankengut, das die Lohnabhängigen an „ihren“ Imperialismus fesselt, in der Arbeiterklasse nicht nur nicht bekämpft, sondern stillschweigend (und oft genug auch offen) reproduziert wird.


Hier liegt aber eine der Hauptgefahren für die Arbeiterklasse nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Schließlich versuchen auch die Regierungen Griechenlands, Irlands u.a. Staaten demagogisch, jede Schuld an den Verarmungs- und Kürzungsplänen mit Verweis auf die EU oder Brüssel von sich zu weisen, sich so hinzustellen, als würden sie nur „Sachzwänge“ exekutieren und selbst gar keine Kapitalinteressen vertreten.


So wie der Chauvinismus der Reformisten hier der Nährboden für die Sarrazins und andere Rechte abgibt, so kann auch in den Ländern Süd- und Westeuropas der Chauvinismus leicht an Boden gewinnen und zum Erstarken der extremen Rechten oder gar faschistischer Organisationen führen, wenn es der Arbeiterklasse nicht gelingt, eine internationale, europaweite Perspektive des Kampfes zu weisen.


Lehren


Die Kämpfe in Frankreich und Griechenland, aber auch in Portugal und Spanien haben nämlich folgende allgemeinen Probleme aufgeworfen:


a) Der strategische Charakter der Angriffe erfordert eine Antwort der gesamten Klasse - d.h. der unbefristete politische Generalstreik wird zu einer zentralen politischen Losung.


b) Um diesen Kampf zu führen und eine solche Bewegung zu schaffen, muss eine Einheitsfront aller Arbeiterorganisatonen, der Jugend, aller Unterdrückten gegen die Krise geschaffen werden. Wir treten dabei dafür ein, dass diese die Form demokratischer, von Massenversammlungen gewählter und abwählbarer Aktionskomitees in den Betrieben und Stadtteilen annimmt, um so auch die Arbeitslosen, die Jugend, MigrantInnen, RentnerInnen usw. in den Kampf hineinzuziehen.


c) Die Entschlossenheit der bürgerlichen Regierungen, die Programme gegen die Arbeiterklasse und die große Masse der Bevölkerung durchzusetzen zeigt sich darin, dass sie gegen Streiks auch mit polizeilicher und militärischer Gewalt vorgehen - bis hin zur Drohung mit dem Ausnahmezustand gegen die Fluglotsen in Spanien.


d) Der Generalstreik gegen die Kürzungen wie die Angriffe auf das Streikrecht durch den Staat werfen die Frage der Schaffung von Selbstverteidigungsorganen, von Räten, die die Bewegung von unten demokratisch zusammenfassen, auf.


e) Der Generalstreik und die grundlegende Zuspitzung der Lage wirft die Frage auf, wer, welche Klasse mit welchen Mitteln herrschen soll? Die Losung der Arbeiterregierung, die sich auf Räte und Selbstverteidigungsorgane der Klasse (Milizen) stützt, den bürgerlichen Repressions- und Staatsapparat zerschlägt, ein Anti-Krisenprogramm der ArbeiterInnen durchsetzt, die das Großkapital enteignet und die Wirtschaft auf der Grundlage demokratische Planung reorganisiert, tritt ins Zentrum.


f) Die reformistischen Parteien und die Gewerkschaftsführungen erweisen sich als unfähig, eine politische Perspektive zur Verteidigung der Arbeiterinteressen zu weisen. Wir treten natürlich für den gemeinsame Kampf gegen die Krise ein - aber wir brauchen auch eine revolutionäre Arbeiterpartei und Internationale, die, gestützt auf ein Programm von Übergangsforderungen, um die Führung der Klasse und für die sozialistische Revolution kämpft.


g) Auch wenn sich der Kampf in Europa ungleichzeitig entwickelt, so kann er nicht nur auf nationalem Terrain und noch viel weniger mit einer „nationalen“ Rettungsperspektive geführt werden. Diese führt vielmehr unvermeidlich in den Chauvinismus, zur Spaltung entlang nationaler Linien und letztlich zur Unterordnung unter die „eigene“ herrschende Klasse. Wir müssen daher eine europäische Koordinierung des Widerstandes aufbauen und eine Gesamtperspektive gegen die Kürzungsprogramme der EU und ihrer Regierungen und die imperialistische Blockformierung bilden. Das kann nur die Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa sein, die für die proletarische Weltrevolution kämpfen.