Neuwahlen: Krise, Chaos, Widerstand!

Resolution zur Regierungskrise der Großen Koalition, der Umformation der ÖVP und den Neuwahlen

 

Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG (RKO BEFREIUNG), www.rkob.net, 15.05.2017

 

 

 

  1. Machtwechsel in der ÖVP: Am 14. Mai 2017 verkündete Außenminister Sebastian Kurz die einstimmig angenommen Neugestaltung der ÖVP auf Grundlage verschiedener Forderungen, die er mit seiner Funktion als neuer ÖVP-Obmann umsetzen will. Diese Forderungen sind seit dem Rücktritt von Mitterlehner allgemein bekannt, der in den Reihen der ÖVP zu den größten Widersachern von Kurz gehörte. Die Umetzung von Kurz Forderungen bedeutet eine Zentralisierung der ÖVP und damit eine massive Erweiterung der Befugnisse des ÖVP-Obmanns. Sebastian Kurz fordert – nun auch im Namen der gesamten ÖVP – Neuwahlen.
  2. Bisherige Krise der ÖVP: Ausdruck der massiven Machtverschiebung und neuen Ordnung der ÖVP ist auch ihr Listenname für die Wahl: Liste Sebastian Kurz – Neue Volkspartei. Der bonapartistisch angehauchte Machtwechsel in den Reihen der bürgerlich-konservativen Partei ÖVP ist das Resultat der massiven Krise in der sich die ÖVP befindet. Diese Krise drückte sich unter anderem in einer Abwärtsspirale in den Wahlergebnissen der letzten Jahre aus. Nach der Nationalratswahl 2008 bei dem die ÖVP mit einem Ergebnis von 26% ganze 8,3% weniger Stimmen als noch 2006 bekam erfolgte der nächste Dämpfer mit gerademal 24% bei den Nationalratswahlen 2013. Bei den Wahlen in Wien 2015 schaffte es die ÖVP gerademal 9,2% zu bekommen und verlor damit in der Hauptstadt fast 4,8%!
  3. Größte Chance der ÖVP: Eine Umgestaltung der ÖVP nach dem Bild von Kurz scheint ein Weg zur Erlösung der traditionellen Partei des Kapitals zu sein. Immerhin ist Sebastian Kurz der Liebling der bürgerlichen Kreise und wird in den Medien seit Monaten massiv bejubelt. Allen Umfragen nach ist die schwindelerregende (angebliche) Popularität von Sebastian Kurz die größte Chance der ÖVP wieder Oberwasser zu gewinnen. Laut Umfragen des Instituts Research Affairs ist eine ÖVP mit Kurz an der Spitze bei 35% auch der absolute Wahlsieger während sie ohne den Außenminister bei mickrigen 19% ihre Abwärtsspirale fortsetzen würde.
  4. Innenpolitische Zwischenphase eingeläutet: Der klare Kurs von Sebastian Kurz läutet eine Interims-Phase (eine Zwischenphase) für die gesamte Innenpolitik ein, die nicht lange anhalten kann. Audruck dieser Interims-Phase ist unter anderem, dass Mitterlehner nach wie vor das Amt des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers hält. Die Zustimmung zu Neuwahlen sowie die Fixierung eines Wahltermins stehen durch den Nationalrat ebenso formell noch an.
  5. Neue ÖVP bedeutet Angriffe auf ArbeiterInnen und Flüchtlinge: Der Vorstoß von Sebastian Kurz und der ÖVP ist ein Spiel auf Zeit, das für die ÖVP am ehesten erfolgreich sein wird, wenn es rasch zu Neuwahlen kommt. Die mediale Popularität des neuen ÖVP Obmanns Kurz ist mit seiner konkreten Politik verbunden. Der Außenminister steht für ein neoliberales Wirtschaftsprogramm, das mit massiven Angriffen auf die Interessen der ArbeiterInnenklasse einhergeht. Kurz hat zudem mit der Schließung der Balkanroute einen harten und konsequneten Kurs gegen Flüchtlinge bewiesen und sich damit die Sympathie der herrschenden Klasse garantiert.
  6. Neue ÖVP schwächt einerseits FPÖ: Gerade in der Frage der Flüchtlingspolitik verkörpert Sebastian Kurz den FPÖ-Kurs minus populistischem Anstrich. Ebenso ist die ÖVP traditionell die Partei des Kapitals und hat damit deutlich bessere Wirtschaftsverbindungen als die FPÖ. Gerade dieser Punkt wie auch die populistisch scharfe Ablehnung der EU hat die FPÖ bis heute die Regierungsbeteiligung gekostet. Der rechte Populismus der FPÖ hat sie bisher weit gebracht und sie sogar als stimmenstärkste Partei mit 34% für die nächsten Nationalratswahlen prognostiziert. Angesichts der Veränderungen in der ÖVP wird genau dieser Populismus der FPÖ für ihre Regierungspläne zum Verhängnis. Ebenso zieht die ÖVP unter Kurz sehr viele Wählerstimmen der FPÖ zu sich. Den Prognosen nach hätte die FPÖ statt den erhofften 34% gegen die neue Kurz-ÖVP gerademal 26%. Sie wäre damit zwar immer noch zweitstärkste Partei aber im Falle einer Regierungsbildung mit der ÖVP auch ganz eindeutig nur der Juniorpartner.
  7. Neue ÖVP schafft aber auch große Möglichkeit von Schwarz-Blau: Trotz der verschiedensten Schwierigkeiten, die sich für die FPÖ durch die neue ÖVP unter Kurz ergeben ist die Wahrscheinlichkeit einer neuen Schwarz-Blauen Regierung so hoch wie seit langem nicht mehr. Selbst eine Schwächung der FPÖ in dem Ausmaß, in dem es prognostiziert wird bedeutet dennoch den zweiten Platz am Wahlabend. Gerade eine ÖVP unter Kurz wäre gerne bereit unter bestimmten Bedingungen (so einer Schwächung des Anti-EU Populismus) mit der FPÖ zu koalieren. Der erfolgreiche Vorstoß von Kurz in den Reihen der ÖVP schafft allerdings auch potentiell massive Erschütterungen, die neben der ÖVP selbst auch eine FPÖ sowie die SPÖ erfassen könnte noch bevor sich die Frage der Regierungsbildung stellt.
  8. Potentielle Spaltungslinien in der ÖVP: Der derzeitige Erfolgskurs von Kurz in der ÖVP kann sehr leicht auch nur von kurzer Dauer sein. Die massive Zentralisierung der Partei-Strukturen und Inhalte in die Hände des ÖVP-Obmanns können rasch zu einer Frustration der Länderchefs der ÖVP führen und Sebastian Kurz schnell wieder entmachten. In einem solchen Fall ist eine Abspaltung angeführt von Kurz weg von der ÖVP möglich und die Formierung einer neuen bürgerlichen Partei, die sich einem Fleckenteppich gleich ähnlich wie Macrons En Marche in Frankreich aus verschiedensten bürgerlichen Politikern der ÖVP, FPÖ, SPÖ, Neos und Co. formieren könnte.
  9. Potentielle Spaltungslinien in der FPÖ: Gerade ein massiver Erfolgskurs einer ÖVP zu lasten der FPÖ kann letztere in eine Krise führen. Spätestens wenn eine Schwarz-Blaue Koalition zwar möglich wird, aber eine geschwächte FPÖ als Juniorpartner in der Regierung nur dann akzeptiert wird, wenn sie einen großen Schritt weg von ihrem Anti-EU Kurs macht kann es die FPÖ zerreissen. Immerhin ist die gesamte FPÖ mehr als gierig darauf endlich an den Futtertrog der Regierung zu gelangen, der ihr gerade wegen ihres Anti-EU Populismus bisher verwehrt blieb. Wenn in dieser Frage die ÖVP die Daumenschrauben anzieht, mag es einem Teil der FPÖ attraktiver erscheinen im Falle einer ausbleibenden Änderung der EU Position durch die FPÖ diese zu verlassen und sich der ÖVP anzuschließen oder eine neue Partei zu formen.
  10. Potentielle Spaltungslinien in der SPÖ: Die Krise der ÖVP und ihre potentielle Lösung durch Kurz ist eventuell auch das Signal für den rechten Flügel in der SPÖ endgültig die Geduld zu verlieren. Die SPÖ hat in der Vergangenheit mehr als willig jedes Zugeständniss gemacht, um den Futtertrog der Macht nicht aufgeben zu müssen. Ihre Willigkeit drückt sich in einer permanenten Rechtsentwicklung aus, die einen andauernden Mitgliederschwund zur Folge hat und einer gleichzeitigen Stärkung rechter Kräfte in der SPÖ. Immerhin steht jetzt die unmittelbare Möglichkeit im Raum gerademal auf den dritten Platz zu kommen und tatsächlich trotz aller Bemühungen der Vergangenheit auf die Oppositionsbank geschoben zu werden. Kommt es denn bisherigen Wahlkalkulationen nach doch nicht zu einer Schwarz-Blauen Koalition könnte sich sowohl ein Rechtsruck der SPÖ ergeben um attraktiv zu sein für die neue ÖVP wie auch – wenn auch unwahrscheinlich – eine SPÖ/FPÖ Regierung versucht werden. Letztgenanntes eher unwahrscheinliches Szenario kann einen Super-Gau der SPÖ zur Folge haben, der eine linke Abspaltung fast schon garantiert. Ebenso wird eine solche Abspaltung möglich (allerdings deutlich weniger wahrscheinlich), wenn sie eine Chance für eine neue, linke und offensivere Partei sehen. Der innerparteiliche Kampf von einem linken Flügel gegen den rechten Flügel der SPÖ würde dann eine konkrete Form annehmen, da durch die neue ÖVP und die FPÖ das rechte Lager ausreichend besetzt ist.
  11. Potentiell leichter bis mittelschwerer Aufwind für die GRÜNEN: Weitaus weniger spektakulär könnte sich ein Aufschwung der GRÜNEN ergeben. Die Aussage Van der Bellens zur Solidarität mit Frauen, die Hijab tragen hat sicherlich große Sympathien in breiten Teilen der muslimischen MigrantInnen hervorgerufen. Diese Sympathie könnte sich bis zu den Neuwahlen halten, vorallem wenn sich eine SPÖ weiterhin nach rechts anbiedert. Ebenso ist es möglich, dass die GRÜNEN im Falle einer weiteren Rechts-Anbiederung der SPÖ in Wahlkampfzeiten für breite Teile der fortschrittlichen ArbeiterInnenklasse und der Jugendlichen sowie MigrantInnen als einzige „linke“ Alternative gesehen werden. Dabei haben die GRÜNEN weder eine organische Verbindung zu diesen Schichten, noch bieten sie ein Programm, das die Interessen dieser Schichten verkörpert. Als bürgerliche Kraft mit Öko-Anstrich können die GRÜNEN höchstens als netter Aufputz dienen und sind keine Sekunde lang ein Schutz gegen massiven Sozialabbau.
  12. Höchste Gefahr für die ArbeiterInnen und Unterdrückten: Gerade die Neuwahlen werden die Notlage zum Ausdruck bringen, in der sich die ArbeiterInnenklasse, die Jugendlichen und MigrantInnen befinden. Sie haben keine Partei, die ihre Interessen vertritt und dürfen der einzigen Partei aus der ArbeiterInnenbewegung – der SPÖ – bei ihrem verzweifeltem Betteln um den Futtertrog der Macht zusehen. Unabhängig der realen Regierungskonstellation die am Ende herauskommt: Sie wird ein weiterer Rechtsruck sein und mit massiven Angriffen auf Arbeitsrecht und Sozialsystem, auf demokratische Rechte der MigrantInnen und das Selbstbestimmungsrecht von Jugendlichen sowie aller Unterdrückten einhergehen.
  13. Höchste Zeit für eine neue Partei der ArbeiterInnen und Unterdrückten: Dabei ist nicht die Zeit für Lethargie. Es ist die Zeit, dem Rechtsruck vereint etwas entgegenzustellen. Es ist die Zeit eine neue ArbeiterInnen-Partei zu formieren, die sich konsequent gegen die genannten Angriffe auf die ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen stellt. Unserer Meinung nach steht eine solche Verteidigung der ArbeiterInnen, MigrantInnen und Jugendlichen sowie aller Unterdrückten auf Grundlage eines revolutionären Programms, das sich nicht mit der Reformierung des Unterdrückungs- und Ausbeutungssystems Kapitalismus begnügt sondern dessen Zerschlagung anstrebt.
  14. Erster Schritt kann eine neue Wahlliste sein: Wir rufen alle linken Kräfte in der Sozialdemokratie, alle demokratischen Vereine der MigrantInnen, der Jugendlichen sowie anderer Unterdrückter dazu auf sich zu einer gemeinsamen, kämpferischen Liste gegen Rassismus und Sozialabbau als wählbare Alternative zu den bestehenden Parteien für die kommende Wahl aufzustellen. Das kann ein erster und wichtiger Schritt in der Gründung einer neuen ArbeiterInnenpartei werden.
  15. Nach der Wahl ist vor der Wahl ist Kampf auf der Straße: Der Weg hin zu einer neuen ArbeiterInnenpartei mit vorallem auch migrantischem, weiblichem und jugendlichem Gesicht führt über die Aktion auf der Straße und den aktiven Widerstand gegen die Angriffe der herrschenden Klasse. Es gibt keine Illusionen in die SPÖ die noch zu verlieren wären. Es gilt bei der Wahl weiß zu wählen, eine ungültige Stimme zu geben. Wir haben in Frankreich bei der Wahl von Macron gegen Le Pen unsere klassenbewussten Brüder und Schwestern dabei beobachten können, dass sie sich trotz der rechten Gefahr durch Le Pen nicht haben von Macron, dem Maskottchen der Superrreichen, täuschen lassen. Ganze 12% haben bewusst ungültig gewählt. Nutzen wir die Zeit des bevorstehenden Wahlkampfes um gemeinsam gegen die Gefahr von Schwarz und Blau zu mobilisieren. Nutzen wir die Zeit um das Fundament für eine neue ArbeiterInnenpartei zu legen. Eine neue ArbeiterInnenpartei, die wenn sie auf revolutionärer Grundlage steht, konsequent jeden Angriff der auf uns zukommt abwehren kann und endlich eine wirkliche Stimme der Unterdrückten darstellt.