Zu der aktuellen Kleinkriminalität am Beispiel der Gruppe „Goldenberg“

Artikel von Marek Hangler, Revolutionär-Kommunistische Organisation BEFREIUNG (RKO BEFREIUNG), www.rkob.net


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Die Jugendgang mit dem Namen „Goldenberg“ hat ihn Wien spätestens seit diesem Jahr eine große Bekanntheit erlangt – durch ihre Verhaftung. Ausgehoben worden ist die Gang letztlich durch eine Handvoll Mitglieder, die von der Polizei verhaftet und verhört wurden. In der Gegend um Favoriten ist Goldenberg ein Faktor geworden – unter migrantischen Jugendlichen verkommt er immer mehr zu einem Mythos, als die neue Mafia Wiens. Die weltweit zunehmende Armut kann innerhalb der EU zu einer „Amerikanisierung“ führen, auch was die berühmten Armenviertel – die Ghettos – der Großstädte betrifft! Es ist für unsere Leserinnen und Leser deswegen eine praktisch-notwendige Aufgabe sich mit der weiteren Entwicklung der untersten Schichten der Gesellschaft auch in Form von zunehmender Kleinkriminalität zu beschäftigen.

 

Kriminalität ist für immer mehr zu einer echten Möglichkeit geworden, das Leben erträglicher zu machen. Der Preis einer Gefängnisstrafe wird nüchtern abgewogen – die „Härte des Gesetzes“ ist nicht mehr, als es in einer Klassengesellschaft sein kann: Ein Versuch der Herrschenden, die Unterdrückten unter Kontrolle zu halten. Als KommunistInnen ist der Kampf für unsere Befreiung mehr als ein fantastisches Ziel. Er ist mehr als die Vorbereitung einer Revolution. Er ist auch der Aufruf zum Streik, der uns zur Solidarität als Klasse (als Arbeiterinnen und Arbeiter) erzieht. Er wird auch aus dem alltäglichen Kampf gegen die großen und kleinen Verbrecher bestehen, die unsere Solidarität gefährden und damit ein wichtiges Mittel auf dem Weg zu unserer Befreiung. Völlig unromantisch können wir hier von Abwehrkampf, Verfolgung und Bestrafung der bewaffneten und unbewaffneten Kriminellen durch uns organisierte Arbeiterinnen und Arbeiter sprechen.

 

Kleinkriminalität wird durch den Kapitalismus belebt

 

Auch wenn Gedankenspiele über eine kleine Jugendgang wie Goldenberg mehr oder weniger interessant erscheinen, ist es nötig die Entwicklung der Kriminalität im gesellschaftlichen Zusammenhang zu sehen. Vor allem ist es wichtig den Klassenkampf als Vater von Staat und Kriminalität zu erkennen. Solange es Ungerechtigkeit gibt, werden Unterdrückte versuchen ihr Überleben zu sichern. Ungerechtigkeit im Kapitalismus wird vor allem durch Kapitalisten betrieben – Ausbeutung von uns Arbeiterinnen und Arbeitern, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen die uns Arme treffen und nicht die Reichen, und viele Abgaben (brandaktuell die Registrierkassenpflicht) sind staatlich geregelter Raub an uns Arbeiterinnen und Arbeiter, an den Armen und Unterdrückten. Außerdem gibt es viele Methoden des kapitalistischen Staates über andere, inoffizielle Wege an mehr Einfluss und Geld zu kommen. Hier haben wir ebenso mit Diebstahl und Zwangshandlungen gegen andere Menschen zu tun. Es läuft nur unter legalen Deckmantel der Klassengesellschaft.

 

Ein von den Kapitalisten teilweise ungewollter (deswegen teilweise strafrechtlich wirklich verfolgter) Nebeneffekt ist die Kriminalität von Armen, wie auch in Form organisierter Kriminalität. Natürlich ist für die Kapitalisten nichts so schlimm wie „Kriminalität“ gegen Kapital, allen voran Großraub. Vergewaltigungen und ähnliche Delikte werden nach bürgerlichen Recht deswegen weniger verfolgt und bestraft als Raubdelikte. Kleinkriminalität wird teilweise auch zur Selbstbereicherung der Polizei nicht sehr hart verfolgt. Gerne werden Beweisstücke in die eigene Tasche überführt.

 

Kleinkriminalität ist nämlich in den meisten Fällen gegen die leichtesten Ziele gerichtet: Die arme Nachbarin, die eine ungesicherte Türe hat, den kleinen Ladenbesitzer, mit der Handkassa unterm Ladentisch, dem Jugendlichen mit seinem neuen Handy im Park, das Vertreiben von Rauschmitteln, die vorallem die Armen noch ärmer machen, der Zwang in die Prostitution, die ein Verzweiflungsakt ausgebeuteter Frauen darstellt. Die Durchführung dieser Art von Kriminalität ist durch und durch unkommunistisch. Sie trifft uns Arbeiterinnen und Arbeiter, uns Arme und Unterdrückte. Wenn eine Bank ausgeraubt wird, eine Villa geplündert wird, eine Versicherung bestohlen wird, jammern die Kapitalisten und setzen alle Mittel in Bewegung das Gestohlene zurückzuholen. Für uns sind diese Akte von „Kriminalität“ nichts verachtenswertes, auch wenn sie als Mittel des Klassenkampfes für uns nicht brauchbar sind.

 

Banken, Konzerne und Kapitalisten sind die größten Diebe von allen. Wenn diese daher selber bestohlen werden, ist uns das keine Träne wert. Kriminelle, die ihre Opfer dagegen in unseren Reihen suchen müssen auch durch uns selber gestoppt und bestraft werden. Wer die Solidarität unserer Klasse auf diese Art unterwandert, wer sich uns als Ziel sucht anstatt sich das Geld von den Ausbeutern zu holen, muss mit aller Konsequenz umerzogen werden. In der Gewissheit, es wird auch in Zukunft nicht bei einer kleinen Gruppe an Kriminellen bleiben, die gerade unserer Klasse schaden wollen, weil sie ihnen als leichtes Ziel erscheint: Nehmen wir als Beispiel die Goldenberg-Gruppe.

 

Die Organisierung und der mögliche Aufbau von Goldenberg

 

Offiziell beschreibt die Polizei Goldenberg als eine Bande aus 150 Mitgliedern. Das ist sehr wahrscheinlich nur die halbe Wahrheit. Nach den aktuellen Informationen ist Goldenberg ein Zusammenschluss aus mehreren Untergruppen, die auch teilweise im Konflikt zueinander stehen (1). Es wurden 11 Jugendliche vom Gericht verurteilt, noch mehr landeten in Untersuchungshaft. Daher können wir von ein paar Dutzend wirklichen Mitgliedern ausgehen, die sich ernsthaft an den regelmäßigen Aktivitäten der Gruppe beteiligen. Goldenberg ist nach ihrem Anführer benannt „Max Goldenberg“, dessen echter Name Magamed M. lautet.

 

Die meisten Treffen finden in der Umgebung des Reumannplatz statt. Seit ca. einem Monat gibt es eine Facebookseite mit dem Namen „Freiheit für Goldenberg“. Obwohl die Seite erst seit ca. einem Monat aktiv ist hat sie schon über 1.200 Likes bekommen. Aktuell sind jüngere, unerfahrene Mitglieder in die Führungsgruppe aufgestiegen. Sie übernehmen die Arbeit bis die Verurteilungen abgeschlossen sind oder die Untersuchungshaft endet.

 

Aufgrund unserer bisherigen Informationen wollen wir hier Beispiele geben, wie die Entwicklung der Gruppe Goldenberg ungefähr abgelaufen sein könnte. Alle Angaben haben keinen Anspruch auf Genauigkeit. Sie sollen allgemein zeigen, wie solche Gruppen entstehen können. Obwohl mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine Mischung verschiedener Möglichkeiten der Fall ist, macht es hier Sinn sie einzeln zu behandeln.

 

Möglichkeit 1: Die Gruppe ist ausschließlich um „Max Goldenberg“ herum aufgebaut. Alle Untergruppen mussten Abgaben an Magamed M. leisten, und waren daher offensichtlich straff organisiert – sonst wären solche Abgaben nicht durchführbar gewesen (2). Er hat über die Jahre einen harten Kern um sich geschaffen, der die Hierarchie innerhalb der Gruppe durchsetzt. Diese Führung ist durch die Bank im Kampfsport erfahren und wird das sogenannte „Kicking“ (3) und regelmäßige Kämpfe mit eigenen Mitgliedern und Fremden angeleitet haben.

 

Möglichkeit 2: Die Gruppe ist eine Neugründung (oder Zusammenschluss) aus mehreren Gruppen. Dafür spricht, dass es innerhalb der Gruppe rivalisierende Untergruppen gibt. Trotz straffer Organisierung waren gewisse Konflikte nicht zu verhindern, was auf eine gewisse Autonomie und nur eingeschränkte Loyalität hindeutet. Daher kann es sein, dass die Untergruppen nur für kurze Zeit oder mit starken Unterbrechungen zusammen gearbeitet haben und ein Teil von ihnen seine Erfahrungen unabhängig von der eigentlichen Führung oder Gründergruppe gemacht hat.

 

Möglichkeit 3: Goldenberg ist keine eigenständige Gruppe, sondern wird selbst von einer größeren Organisation angeleitet. Das ist zwar eher unwahrscheinlich, aber trotzdem nicht komplett auszuschließen. Die Jugendgang hat ein großes Volumen erreicht und wird von mehreren Führern geleitet – soweit bekannt, keiner davon älter als 21 Jahre. Es war über lange Zeit, vielleicht sogar Jahre, der Polizei nicht möglich die Gruppe als solches (eine organisierte Bande) zu erkennen und auszuhebeln. Das spricht für grundlegende Sachkenntnisse in verdeckter Arbeit. Den Mitgliedern scheint der Umgang mit der Polizei nicht fremd zu sein, die meisten waren zumindest nicht durch übliche Verhörmethoden einzuschüchtern. Der offizielle Gründer der Gruppe „Max Goldenberg“ ist erst 20 Jahre alt. Die Polizei behauptet offiziell, dass um die 20.000 Euro Schaden von der Gruppe angerichtet wurden. Hierbei werden aber nur Straftaten genannt, die die Polizei erfassen konnte.

 

Wenn wir davon ausgehen können, dass der Führungskern der Gruppe auf Grund des Alters nur realtiv eingeschränkte Erfahrungen im Aufbau als kriminelle Organisation machen konnte, dann muss es im Bereich des Möglichen liege, dass es Hilfe von außen gibt. Diese Organisation könnte in Wien oder weiteren Städten und Ländern aktiv sein, Goldenberg mit Ausrüstung und Wissen versorgen, und im Gegenzug eine Beteiligung an der Beute beanspruchen – vielleicht direkt über Magamed M. um wenig Aufsehen innerhalb der Gruppe zu erregen.

 

Was tun gegen Kriminelle, die sich gegen uns richten?

 

Es ist eine Frage der Sicherheit und des Überlebens (genauer gesagt, des Stopps dieser Selbstzerstörung) der Arbeiterklasse und Armen, wenn die RKO BEFREIUNG die Gründung von Selbstverteidigungskomitees fordert! Nur solche Komitees können garantieren, dass ein direkter Schutz vor Kleinkriminellen vorhanden ist. Wir dürfen uns nicht auf die Polizei verlassen, die 1. keinen Schwerpunkt auf den Schutz von „gewöhnlichen“ Opfern legt und 2. nicht selten selbst kriminelle Handlungen begeht oder mit Kriminellen zusammenarbeitet. Zu letzterem Punkt ließe sich wahrlich ein eigener Artikel schreiben.

 

Wir fordern deshalb:

 

* Gründung von Selbstverteidigungskomitees, um den direkten Schutz der Unterdrückten zu organisieren! Diese Komitees müssen aus den Reihen der Unterdrückten selbst gebildet werden. Sie müssen unter demokratischer Kontrolle der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Armen und Unterdrückten in den Betrieben, den Ausbildungsstätten und Bezirken sowie Dörfern stehen. Die Mitglieder dieser Komitees müssen daher jederzeit demokratisch aus dem Komitees ausgeschlossen werden können, um Korruption und Machtmissbrauch zu verhindern.

 

* Für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, das die Arbeitslosigkeit und die Armut bekämpft und den Wohlstand unserer Klasse steigern soll. Diese Programme müssen vom Profit der Kapitalisten bezahlt werden! Damit wird der Kriminalität der Boden entzogen. Das bedeutet Enteignung der Superreichen. Es bedeutet auch Enteignung der Banken und Konzerne in Form von Verstaatlichung unter Kontrolle der Beschäftigten!

 

* Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei und Kampf für den Sozialismus! Ein dauerhafter Schutz vor Kriminalität ist nur durch die Beseitigung jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung gegeben. Das kann nur durch eine sozialistische Revolution vollbracht werden. Der konkrete Kampf dafür wird durch eine revolutionäre ArbeiterInnenpartei organisiert, die wir gemeinsam aufbauen wollen und die zur Gerechtigkeit für alle Menschen führt. Ein wirklich gerechtes System ohne Unterdrückung und Ausbeutung, wo auch Kriminalität entgültig besiegt wird, das nennen wir Sozialismus!

 

 

 

(1) Davon sind aktuell besonders 2 Gruppen in den Vordergrund getreten, die sich auf unterschiedliche Strafhandlungen spezialisiert haben – Einbrüche und Straßenraub. Oder um es im der rassistischen Sprache der Staatsanwaltschaft zu sagen: „Die türkischstämmigen Einbrecher und die tschetschenisch-kaukasische Raubpartie“. Diese beiden Gruppen standen zumindest für eine gewisse Zeit in einem Konflikt, wegen dem Überfall auf ein Familienmitglied aus dem Umkreis einer Untergruppe. http://derstandard.at/2000015242660/Raubprozess-in-Wien-Jugendbanden-und-der-betrunkene-Clown

 

(2) Siehe „Weil die “Goldenberg”-Bande […] das nicht tolerierte (den Einbruch bei der Mutter einer Freundes, d.A.), mussten die Einbrecher einen Teil des erbeuteten Schmucks und Bargelds sowie einen Fahrzeugschlüssel abgeben.“ http://www.vienna.at/goldenberg-prozess-gegen-wiener-jugendbanden-endet-mit-elf-verurteilungen/4318590 Und „(Magamed M.) wurde mit einem bestimmten Prozentsatz an der Beute seiner Bandenmitglieder beteiligt - er musste nicht einmal selbst aktiv werden.“ http://wien.orf.at/news/stories/2705759/

 

(3) Unter „Kicking“ versteht man ein Aufnahmeritual, das aus starken Fußtritten (und manchmal Schlägen) für neue Kandidaten besteht. Dieses „Kicking“ findet nur einmal pro Kandidat, und für jeden Kandidaten unter gleichen Bedingungen statt, muss ohne Gegenwehr erduldet werden, und ist vorher zeitlich festgelegt – meistens zwischen 10 Sekunden und einer Minute, in seltenen Fällen 2 Minuten. Durch das „Kicking“ soll die Ernsthaftigkeit und Ausdauer der Kandidaten getestet werden. Meistens ist dieses Aufnahmeritual der Abschluss der Kandidatenzeit und man wird zum einfachen Mitglied befördert.