Keine Unterstützung für das Bildungsvolksbegehren!

Das Bildungsvolksbegehren vertritt eine Modernisierungspolitik im Interesse des Kapitals. Für ein eigenständiges Bildungsprogramm der ArbeiterInnenbewegung!

Von Michael Pröbsting

 

(Anmerkung der Redaktion: Die RKOB veröffentlichte den folgenden Artikel erstmals in ihrer Zeitung REVOLUTIONÄRE BEFREIUNG Nr. 195 im April 2011, als Unterschriften für die Einleitung des Bildungsvolksbegehren gesammelt wurden. Vor dem Hintergrund der Eintragungswoche des Volksbegehrens vom 3.-10. November veröffentlichen wir unsere Position nun auch im Internet.)

 

Ab Ende Februar werden Unterstützungserklärungen für die Einleitung eines Bildungsvolksbegehrens gesammelt. Wenn die OrganisatorInnen um den früheren SPÖ-Vizekanzler und heutigen Unternehmer Hannes Androsch die notwendigen rund 8.000 Unterschriften zusammen bekommen (was aufgrund der breiten Unterstützung durch die Medien als sicher gilt), wird es im Sommer zu diesem Volksbegehren kommen. Erreicht die Initiative in der Eintragungswoche mindestens 100.000 Unterschriften, muß sie vom Nationalrat behandelt werden. Verpflichtet wird das Parlament dadurch jedoch zu nichts.

 

Worum geht es?

 

Worum geht es bei dem Volksbegehren und was steckt dahinter? Die Initiative im Hannes Androsch wird von einer Reihe von Organisationen und politischen Kräften unterstützt. Diese reichen von Interessensvertretungen des Großkapitals wie der Industriellenvereinigung über sozialdemokratische Kräfte (z.B. SPÖ-Bildungsministerin Schmied, Bund sozialdemokratischer Akademiker/innen, Kinderfreunden) bis hin zu offen bürgerlichen Organisationen (Liberale).

Das Ziel dieser Initiative ist eine bürgerlich-sozialdemokratische Modernisierungspolitik. Die großen UnternehmerInnen und Konzernchefs fordern schon seit längerer Zeit, daß die Jugendlichen besser ausgebildet werden. In ihrer Zeitschrift forderte die Interessensvertretung der großen KapitalistInnen – die Industriellenvereinigung – Reformen von der Regierung, um das Bildungssystem globalisierungskompatibel zu gestalten.“ (Aufbruch in die Zukunft, iv-positionen: November 2010, S. 13) Das bedeutet nichts anderes, als die Arbeitskräfte so auszubilden, damit die UnternehmerInnen diese besser ausbeuten und somit am Weltmarkt mehr Profit herausschlagen können. Gleichzeitig sollen die Löhne für die LehrerInnen sinken bzw. diese leichter kündigbar werden.

Das Bildungsvolksbegehren dient dem Zweck, die öffentliche Meinung für diese Ziele zu beeinflussen und so den Boden für die entsprechenden Reformen einzuleiten.

Natürlich kann man eine solche Bildungsreform nicht dadurch bewerben, indem man direkt und unverblümt diese Ziele offen verkündet. Sie werden daher verklausuliert präsentiert und mit schön lautenden Phrasen verdeckt. Schauen wir uns dazu einige Forderungen im einzelnen an. So spricht sich der Volksbegehrenstext für die Einführung eines „leistungsbezogenen Dienst- und Besoldungsrechts für LehrerInnen“ aus. Dahinter steckt der Wunsch von Kapital und Regierung, die LehrerInnen leichter kündbar zu machen und ihre Löhne zu senken.

Weiters soll die Autonomie der Schulen ausgebaut werden. Daher fordert das Volksbegehren: „Festlegung der pädagogischen Ziele und Personalmanagement autonom durch Schulen“ sowie „Öffnung der Bildungseinrichtungen für VertreterInnen wirtschaftlicher Betrieben“. Doch das bedeutet nicht, daß jene, die an den Schulen tätig sind (v.a. SchülerInnen und LehrerInnen), mehr Mitsprachemöglichkeit haben. Es bedeutet vielmehr, daß die DirektorInnen bzw. das Schulmanagement mehr Möglichkeiten haben, wie in einem Unternehmen über den Ablauf des Schulbetriebes, die LehrerInnen und SchülerInnen entscheiden zu können. Ebenso sollen die Schulen noch mehr für private Unternehmen geöffnet werden.

Verschiedene Forderungen klingen scheinbar gut wie die Einführung einer Ganztagesschule oder das „flächendeckende Angebot an Krabbelstuben, Kinderkrippen, Kindergärten“. Dadurch soll es ermöglicht werden, daß die SchülerInnen mehr und länger ausgebildet werden und die Eltern weniger zu Hause und somit mehr als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Aber erinnern wir uns an die Gratiskindergärten für alle, die die SPÖ-Regierung in Wien erst kürzlich einführte. Diese wurden – nicht zuletzt wegen der bevorstehenden Wahlen – als Errungenschaft angepriesen. Tatsächlich jedoch bedeuten die Gratiskindergärten oft eine Verschlechterung der Betreuung für die Kinder, eine Steigerung der Arbeitshetze für die PädagogInnen und oft auch eine Verteuerung der Kosten für Eltern (z.B. 10% mehr für Essen in den städtischen Kindergärten sowie oft auch höhere Kosten für Ausflüge).

Schließlich strebt das Volksbegehren eine Erhöhung der Ausgaben für Bildung sowie eine höhere AkademikerInnenquote an. Dadurch soll der Rückstand Österreichs hinter den anderen reichen kapitalistischen Ländern aufgeholt werden. Die Zentralisierung der Bildungsinstitutionen beim Bund und weg von den Ländern soll schließlich die Umsetzung der Reformen erleichtern.

 

Fortschrittlich?

 

Die breite Unterstützung dieses Volksbegehrens durch das Großkapital, zahlreiche PolitikerInnen von den Grünen, SPÖ bis hin ins offen bürgerliche Lager (Liberale) sowie den Medien macht deutlich, daß es sich hier um keine fortschrittliche Initiative handelt. Es geht darum, daß Bildungssystem im Interesse des Kapitals zu modernisieren. Die Arbeitskräfte sollen entsprechend den Bedürfnissen der profitableren Verwertung länger und besser ausgebildet werden und die LehrerInnen sollen mehr unter Druck gesetzt werden können. Wir von der Revolutionär-Kommunistischen Organisation zur Befreiung (RKOB) sagen: Die ArbeiterInnenbewegung darf daher diese Initiative der KapitalistInnen unter keinen Umständen unterstützten.

Es ist eine Schande, daß Teile der offiziellen ArbeiterInnenbewegung (aus dem Lager der Sozialdemokratie) das Volksbegehren unterstützen. Bei den Spitzen der Sozialdemokratie ist das nicht verwunderlich: diese sind schon seit sehr langer Zeit eng mit dem Kapital verbunden. Für viele einfache SozialdemokratInnen klingen bestimmte Forderungen neutral bzw. fortschrittlich. Aber ist es eine Bildungsreform im Interesse der ArbeiterInnenbewegung, wenn wir eine Ganztagesschule wie in vielen anderen europäischen Ländern haben, in der das Schulmanagement mit privaten UnternehmerInnen zusammenarbeitet, die LehrerInnen kündbarer und die SchülerInnen gestreßter sind?!

 

Das Alte verteidigen?

 

Daraus darf man allerdings nicht den Umkehrschluß ziehen, daß wir das bisherige Bildungssystem verteidigen. Wir machen nicht einfach überall dort ein Plus, wo die Industriellenvereinigung ein Minus macht. Mit anderen Worten, wir verteidigen keineswegs alle Aspekte des Bildungssystems, die das Kapital zu verändern gedenkt. Natürlich sind alle Pläne der kapitalistischen Bildungsreform so gestaltet, daß sie der Steigerung der Formung der kapitalistisch besser verwertbaren Ware Arbeitskraft dienen. Die ArbeiterInnenbewegung darf diese nicht unterstützen, sondern muß sie scharf kritisieren und bekämpfen. Jeder Versuch v.a. von Seiten sozialdemokratischer SpitzenpolitikerInnen, diesen Plänen einen fortschrittlichen Anstrich zu geben, muß bloß gestellt werden.

Doch das bedeutet keineswegs, daß wir den Status quo – also den gegenwärtigen Zustand – als etwas Besseres verteidigen. Wir verteidigen keineswegs die Kontrolle der Landesbehörden über die Bildungsinstitutionen. Im Gegenteil, eine Zentralisierung ist hier ein Fortschritt. Ebenso hat natürlich die KapitalistInnenklasse ihre eigenen Absichten, wenn sie die Ganztagesschule oder die Gesamtschule fordert. Doch unsere Ablehnung ihrer Pläne bedeutet nicht, daß wir etwa die gegenwärtige Regelung (Halbtagesschule, Teilung in AHS, Hauptschule usw.) verteidigen. Im Gegenteil, wir unterstützten die Forderung nach Ganztagesschule und einer Gesamtschule (denn dies erleichtert den Frauen die Berufstätigkeit, schwächt die Abschottung der Kindererziehung in der Familie). Doch wir verbinden sie mit eigenständigen Losungen der ArbeiterInnenbewegung.

Ganztagesschule und Gesamtschule? Ja, aber nicht unter Kontrolle des Schulmanagements, sondern unter Kontrolle der SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und der ArbeiterInnenbewegung insgesamt.

 

Mehr Geld für Bildung?

 

Oft wird die Losung „Mehr Geld für Bildung“ auch von fortschrittlichen Kreisen aufgestellt. Hierbei ist es jedoch wichtig zu verstehen, daß Bildung nicht etwas Neutrales ist. Bildung im Kapitalismus ist immer kapitalistische Bildung, die der besseren Verwertung der Ware Arbeitskraft dient. Man muß sich daher genau anschauen, wofür mehr Geld ausgegeben werden soll. Schließlich fordert die ArbeiterInnenbewegung auch nicht einfach mehr staatliche Gelder für Investitionen in Betrieben. Sehr wohl unterstützten wir mehr staatliche Gelder für z.B. höhere LehrerInnengehälter, Einstellung von mehr LehrerInnen, kleineren Klassen, billigeren Unterrichtsmaterialien usw. Das Volksbegehren umgeht aber diese Frage bewußt und läßt offen, wofür die höheren Bildungsinvestitionen ausgegeben werden sollen.

Wir MarxistInnen von der RKOB sehen es als unsere Aufgabe an, die durch das Volksbegehren verstärkten öffentlichen Diskussionen zur Bildung auszunützen, um die ArbeiterInnenbewegung für ein eigenständiges Bildungsprogramm zu gewinnen. Die ArbeiterInnenbewegung – allen voran die SPÖ – darf diese Volksbegehren nicht unterstützen. Vielmehr müssen wir gegen jede Verschlechterung für LehrerInnen und SchülerInnen eintreten und der verstärkten Kontrolle der Staatsbürokratie und des Schulmanagements die Losung der Kontrolle von unten – durch Kontrolle der SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und der ArbeiterInnenbewegung – entgegensetzen.

 

Anhang:

Die Forderungen des Bildungsvolksbegehrens sind u.a.

* Verschieben aller öffentlichen Bildungseinrichtungen - inklusive der Kindergärten - zum Bund.

* Ministerium gibt Bildungsziele vor; Bezirksschulräte werden abgeschafft; Festlegung der pädagogischen Ziele und Personalmanagement autonom durch Schulen.

* Flächendeckendes Angebot an Krabbelstuben, Kinderkrippen, Kindergärten. Gleichstellung der KindergartenpädagogInnen mit den LehrerInnen.

* Abschaffung des Sitzenbleibens; Einführung von modularem Unterricht und Kurssystemen.

* Flächendeckendes Angebot an 8-stündigen, verschränkten Ganztagsschulen.

* Einheitliche, akademische Ausbildung und leistungsbezogenes Dienst- und Besoldungsrecht für LehrerInnen.

* Erhöhung der öffentlichen Finanzierung der Universitäten auf 2% der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 sowie der öffentlichen Forschung auf 3%.

* Höhere Abschlußquoten auf den Hochschulen (40% eines Jahrgangs bis zum Jahr 2020)

* Erhöhung der staatlichen Mittel für Erwachsenenbildung auf 40% der Aufwendungen für die Erstausbildung bis zum Jahr 2020.

* Öffnung der Bildungseinrichtungen für VertreterInnen gesellschaftlicher Einrichtungen und wirtschaftlichen Betrieben.

 

Das Bildungsvolksbegehren wird unterstützt u.a. von:

Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Österreichs

Bundesverband Österreichischer Elternverwalteter Kindergruppen

Bund sozialdemokratischer Akademiker/innen, Intellektueller und Künstler/innen

Industriellenvereinigung

Initiative Bildung Grenzenlos

Junge Liberale Österreich

Katholische Elternvereine

Österreichische Kinderfreunde

Österreichischer Dachverband der Berufsgruppen der Kindergarten- und HortpädagogInnen

Wirtschaftsforum der Führungskräfte