Die Politik der SJ und das Fremden(un)rechtspaket

Fünf goldene Regeln auf dem Weg zur Spitzenkarriere in der SPÖ

Von Nina Gunić

 

Das Fremdenrechtspaket 2011 stellt mit unter einen der schwersten Angriffe seit Jahrzehnten auf uns MigrantInnen wie auch auf AsylwerberInnen dar. Es handelt sich um ein Fremdenrechtspaket, das im höchsten Maß rassistisch und menschenverachtend ist.

 

Angesichts der Tatsache, dass dieses Paket von der SPÖ mitentwickelt wurde (die Rot-Weiss-Rot Card wurde beispielsweise massiv seitens des ÖGB gefordert) ist es nicht verwunderlich, dass diverse sozialdemokratische Abgeordnete auf der Nationalratssitzung am Freitag, den 29.April in die Presche gesprungen sind, um das Paket zu verteidigen.

 

SPÖ für Fremdenrechtspaket

 

So hat Barbara Prammer schon längst Zustimmung bekundet. Auch hat Angela Lueger ihre Unterstützung dafür klar gemacht. SPÖ-Abgeordneter Hannes Fazekas betonte, das Fremdenrechtsgesetz sei ausreichend darauf geprüft worden, ob es Menschenrechte verletze und könne problemlos angenommen werden.


Josef Cap, der seinen Einzug ins Parlament erstmals mit Vorzugsstimmen im Jahre 1983 schaffte – davor noch aus dem Parteivorstand geworfen wurde, weil er provokante Fragen an den SP-Landeshauptmann Kery gerichtet hatte und als „Revoluzzer“ in der SPÖ wie auch der SJ galt – hatte schon in der Vergangenheit seine Wandlungsfähigkeit vom „Revoluzzer“ der Partei zum konservativen SP-Politiker bewiesen. Wenig überraschend, dass auch er ein klarer Befürworter des Fremdenrechtspaketes ist. Auch wenn seitens der Oberösterreichischen SP-PolitikerInnen kritische Stimme kamen und sogar eine Enthaltung angedacht wurde, ist das Fremdenrechtsgesetz schon im Vorfeld der Nationalratssitzung von einer klaren Mehrheit der SPÖ-Fraktion befürwortet worden. Kein Wunder also, dass das Fremdenrechtspaket mit 101 Stimmen dafür (70 Stimmen dagegen) im Nationalrat angenommen wurde. Lediglich Sonja Ablinger verließ den Raum und stimmte damit als einzige SPÖ Abgeordnete nicht dafür.

 

Karriere mit Lehre … in der SJ

 

Kurz und gut: Die SPÖ hat das rassistische Fremdenrechtspaket aktiv mitentwickelt und unterstützte es auch vollkommen bei der Abstimmung im Nationalrat. Umso erstaunlicher, will sagen weltfremder, liest sich der Artikel zum Fremdenrechtsgesetz in der aktuellen Ausgabe des „Faktor“, der Zeitung der Sozialistischen Jugend Wien. Zwar wird der Artikel wohl kaum in die Annalen der Literaturgeschichte eingehen. Für unsere Sozialstudie mit dem Motto: „Wie schaffe ich eine erfolgreiche Karriere in der SPÖ?“ ist er allerdings eine mehr als brauchbare Basis. Wir unterdrücken also konsequent die beim Lesen aufkommende Fadesse und widmen uns genauer dem Artikel dieser nicht übermäßig begnadeten Autorin mit dem schönen griechischen Namen, Irini Tzaferis.


Sie ist Chefredakteurin des „Faktor“, Vorsitzende der SJ 3, sitzt im SPÖ-Bezirksrat des Bezirks Landstraße (3.Bezirk in Wien) und ist zudem auch Teil der Jugend-und Sozialkommission wie auch der Integrationskommission. Angesichts eines solch tiefen Einblicks in die Sozialdemokratie und ihrer Politik verwundert es sehr, dass sich Tzaferis gerademal in drei Sätzen des gesamten Artikels zur Politik ihrer Partei äußert. Vielleicht nicht ganz so kritisch wie man es von einem jungen Josef Cap gewohnt war, aber Genossin Tzaferis hat sich durchaus bemüht. Und das Prädikat „Revoluzzer“ steht ja auch nicht jedem bzw. jeder zu Gesicht.

Ihre harschen Worte zur SP-Politik lauten also - und wir lesen andächtig: „Trotzdem darf die SPÖ nicht aus ihrer Verantwortung genommen werden. Sie macht sich mit der Unterstützung dieser Novelle zur Steigbügelhalterin unmenschlicher Politik.“ Scheinbar etwas erschrocken über den eigenen Mut zu solch kritischen Worten relativiert Genossin Tzaferis gleich darauf: „Wenn gleich die SPÖ Wien nicht lange gewartet hat, sich von den Verschärfungen zu distanzieren, bleibt ein sehr schlechter Nachgeschmack in Anbetracht dieser Verschärfungen.


Jetzt ist es heraus. Endlich ist es gesagt! Die SPÖ macht sich mit der Unterstützung dieser Novelle zur … zur Steigbügelhalterin unmenschlicher Politik? Da die deutsche Sprache nicht meine Muttersprache ist und ich meinem sprachlichen Feingefühl nicht ganz traue, schlage ich sicherheitshalber im Duden nach und tatsächlich: Steigbügelhalter bedeutet anderen zum Aufstieg zu verhelfen (ist natürlich abwertend gemeint).


Interessant wie sich in der Welt einer SJ-Funktionärin die reale Verhältnisse auf den Kopf stellen lassen. Die SPÖ, nachweislich Mitgestalterin des Fremdenrechtsgesetzes (SPÖ-Darabos und Ostermayer waren von Anfang an in die Ausarbeitung des Gesetzes eingebunden), nachweislich Akteurin der rassistischen Fremdenrechtspolitik, verkommt zum roten Dummerl, das sich von einer ÖVP zur Steigbügelhalterin unmenschlicher Politik machen lässt.


Die erste Erkenntnis unserer Sozialstudie ist damit gewonnen. Merke: Willst du den Aufstieg in der SPÖ schaffen und lehnst ihre Politik in zentralen Fragen mal ab, stelle die SPÖ als Opfer einer ÖVP Übermacht dar. Diese Herangehensweise ist – wie wir schon aus anderen Faktor-Artikeln kennen – eine universale und gehört zum Standardrepertoire eines gestandenen SJ-Funktionärs/einer gestandenen SJ-Funktionärin. Karriere mit Lehre … in der SJ, könnte man da sagen.

 

Die Menschen- und Kinderrechte

 

Weiter im Text, oder genauer gesagt, einige Absätze zurück im Artikel. Genossin Tzaferis ist ja eine Studierte und weiß daher auch, dass Fakten aufzählen einen Artikel inhaltlich aufwerten. Leider weiß sie offensichtlich auch (das wird einem an der Universität indirekt unter dem Motto der „Objektivität“ eingetrichtert), wie unbeliebt es bei vielen Studierten ist, aus den Fakten auch klare Analysen und Schlussfolgerungen zu ziehen.


Folgerichtig finden sich bei ihr weder das eine noch das andere im nennenswerten Ausmaß. Ganz zurückhalten kann sich die Genossin aber auch nicht. Ihr Widerstandsgeist bricht bei der Frage der Schubhaft für 16-Jährige durch und sie macht punktgenau klar: „Das widerspricht der Menschenrechtskonvention und auch und vor allem den internationalen Kinderrechten.“


Ach so ist es. Sogar die Menschenrechtskonvention und die internationalen Kinderrechte werden verletzt! Womit in Windeseile Schlussfolgerung Nummer 2 klar wird: Willst du Karriere in der SPÖ machen, so argumentiere dem kapitalistischen System und der bürgerlichen Politik angemessen. Komm nicht daher mit so Dingen wie dem Interesse der ArbeiterInnenklasse, oder gar solchen Begriffen wie revolutionäre Politik oder Grundsätze des Marxismus. Lass Genosse Marx und seine Werke in der Schublade. Wie es einem schon die Spitze der SJ früh genug beibringt, lässt sich auch inkognito – sprich unerkannt – MarxistIn sein. Warum auch nicht? Den Sozialismus gibt es laut SJ-Kampagnen ja auch im Doppelpack mit Sommer und Sonne, und nicht – wie einst Lenin sagte – nur über den Weg des Bürgerkriegs und der Revolution.


Aber: Politik muss ja auch mal Spaß machen dürfen! Es kann einem sonst echt die Laune verderben, wenn man sich mit PolitikerInnen freundschaftlich ablichten lassen will, die ein Marx noch verächtlich als Bürgerliche und Klassenfeinde bezeichnet hätte. Und dem Moitzi hat das Freunderlbild mit Buchinger auch nicht geschadet. Immerhin durfte er sogar SJ-Vorsitzender werden! Was für einen Moitzi gut ist, kann für eine Tzaferis nur recht und billig sein!

 

Böse sind die anderen

 

Damit bekommt die Sozialstudie auch an Fahrt und wir kommen zu Schlussfolgerung Nummer 3: Willst du in der SPÖ groß rauskommen, mache klar, dass die Schuld für die bürgerliche Politik, für rassistische Gesetze und alles Böse des kapitalistischen Systems ausschließlich an der ÖVP und der FPÖ festzumachen ist. Natürlich ist diese Regel locker zu halten, denn spätestens im Nationalrat kann es sein, dass du der ÖVP klar machen musst wie konsensorientiert und arbeitswillig die SPÖ nicht ist. Immerhin gilt es die nächste große Koalition vorzubereiten. Und irgendwie ist diese Regierungsform die häufigste in der Geschichte der II.Republik. Aber solange du genötigt bist noch Artikel im Faktor zu schreiben, ist Regel Nummer 3 Gold wert.

 

Radikale Forderung: Integrationsstaatssekretariat!

 

In jeder Partei-Funktion angebracht ist dagegen Regel Nummer 4: Willst du die Karriereleiter der SPÖ erklimmen, halte dich an das Mantra der „realen Politik“. Komm nicht daher mit irgendeiner Art von revolutionärer Politik, wie dies zum Beispiel die RKOB tut. Fordere nicht, dass es offene Grenzen geben soll. Oder die Abschaffung aller Fremdenrechts-, Asyl- und AusländerInnenbeschäftigungsgesetze. Verlange nicht, dass alle MigrantInnen für gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen sollen sowie einen Mindestlohn von 1300 Euro. Schlage nicht vor, Aktionskomitee aufzubauen, die von der ArbeiterInnenbewegung (sprich Gewerkschaften, Jugendorganisationen, etc.), fortschrittlichen MigrantInnenvereinen und AsylwerberInnen gestellt werden um aktiv und konsequent gegen jede Form von Rassismus, wie auch gegen Abschiebungen und Schubhaft gemeinsam vorzugehen. Und komm schon gar nicht auf die Idee, die Zerschlagung des Kapitalismus, der diese menschenverachtende Fremdenrechtspolitik hervorbringt, mittels einer Revolution zu fordern.


Lerne lieber es Genossin Tzaferis gleichzutun, und wie war das gleich nochmal? Ja, genau. Mach doch lieber „reale Politik“: „Ein erster wichtiger Schritt muss sein, die Fremdenrechtsagenden aus dem Innenministerium herauszuholen und ein eigenen Integrationsstaatssekretariat zu schaffen. Diese Agenden mit Fragen der öffentlichen Sicherheit zu vermischen ist höchst fragwürdig.“ Nun ja. Höchst fragwürdig ist wohl eher, dass dies nicht nur die zentrale, sondern die einzige (!) Antwort der SJ im aktuellen Faktor auf das Fremdenrechtspaket ist!

 

Wem man sich besser nicht anvertrauen sollte

 

Die nun fünfte und letzte Schlussfolgerung der Sozialstudie liest sich nicht aus dem Artikel der Genossin Tzaferis heraus. Dennoch aber macht es Sinn, sich diese Schlussfolgerung für eine erfolgreiche Karriere in der SPÖ vor Augen zu halten: Willst du eine führende Persönlichkeit in der SPÖ werden, unterlasse es offene Gespräche mit konsequenten KommunistInnen zu führen. Sag ihnen nicht solche Dinge wie: „So wenig wie die SPÖ mir zahlt, könnte ich genauso bei der ÖVP anfangen. Die machen kaum andere Politik, dafür stimmt das Geld.“ Sag solche Sätze ja noch nicht einmal, wenn diese KommunistInnen mit dir mal vor langer Zeit die Schulbank in der GRG3 Hagenmüllergasse gedrückt haben. Es könnte sonst sein, dass sich deine unbedachten Worte schnell in einem Artikel genannter KommunistInnen wiederfinden. Es könnte sonst sein, dass du gehörig durch den Kakao gezogen wirst. Denn irgendwie verabscheuen diese KommunistInnen deine goldenen Karriereregeln. Und irgendwie neigen diese KommunistInnen dazu, mit Polemiken zu antworten. Und das mit Konsequenz.

 



[i] In der Ausgabe vom April 2011 hat die „Revolutionäre Befreiung“ dem Fremdenrechtspaket und der revolutionären Antwort im Kampf gegen dieses einen längeren Artikel gewidmet. An dieser Stelle wird der Inhalt des Paketes daher nur kurz erläutert. Die Ausgabe von April ist zu beziehen unter aktiv@rkob.net oder über die Website www.rkob.net/kontakt

 



 

Zusammenfassend beinhaltet das Fremdenrechtspaket:[i]


-, Schon vor der Einreise nach Österreich müssen Basiskenntnisse der deutschen Sprache an vom österreichischen Staat anerkannten Einrichtungen erworben worden sein. Bestimmte Universitäten und andere Einrichtungen fallen nicht darunter.


-, AsylwerberInnen, denen verpflichtende Deutschkurse auferlegt wurden bzw. werden müssen jetzt in zwei Jahren soviel Deutsch lernen wie sie bisher in fünf Jahren schaffen sollten.


-, Die Staatsbürgerschaft gibt es nur, wenn Deutschkenntnisse auf Matura-Niveau bestehen. Diese Kenntnisse bedeuten unter anderem, dass man Fachliteratur zu Themen die nicht in der eigenen Ausbildung abgedeckt wurden bzw. für die man sich nicht interessiert lesen und verstehen soll. Man muss fähig sein, solche Themen der Fachliteratur in einem zusammenfassenden Text, der auf verschiedene Arten von Lesepublikum ausgerichtet ist niederzuschreiben. Die Vermutung liegt Nahe, dass selbst eine klare Mehrheit der österreichischen Bevölkerung mit deutscher Muttersprache eine solche Aufgabe nicht erledigen kann. Oder lässt sich ein Fachtext zur Funktionsweise einer Kernspaltung in kurzer Zeit kindergerecht aufwerten, unabhängig davon ob man sich je für sowas interessiert hat oder auch nur ansatzweise die passende Ausbildung dazu gemacht hat?


-, Die Schubhaft auch für die Kinder kann von den Eltern nur abgewehrt werden, wenn sie das Sorgerecht für die Kinder aufgeben. Dann entscheidet nämlich das Jugendamt, ob die Kinder zu Pflegeeltern kommen sollen oder auch abgeschoben werden.


-, Ab jetzt können auch Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr statt bisher ab dem 18. Lebensjahr in Schubhaft gesteckt bzw. unabhängig von der Familie abgeschoben werden.


-, Bestehen keine Basiskenntnisse der deutschen Sprache kann man mittels Rot-Weiss-Rot Card bleiben sofern man fast die volle Punkteanzahl in den anderen Bereichen (Ausbildung, Berufserfahrung, Alter) erreicht und als „Besonders Hochqualifizierte“, „Fachkräfte in Mangelberufen“ oder als „sonstige Schlüsselkräfte“ eingestuft wird.