12. Kongress des EGB in Athen

…über die Traumwelt des Europäischen Gewerkschaftsbundes

und der Realität des Kapitalismus

Von Sevgi Demir

 

Angesichts der revolutionären Entwicklungen im arabischen Raum, dem Überspringen des Funken auf Europa, allen voran Griechenland und Spanien, hatte der EGB-Kongress in Athen im Mai diesen Jahres eine besondere Bedeutung. Gerade auch Griechenland hat bisher sieben Generalstreiks seit Beginn des Jahres 2010 erlebt, ebenso wie massive Straßenschlachten. Europaweit wurden Sparpakete geschnürt, welche die härtesten Angriffe seit Jahrzehnten auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse Europas beinhalten.

 

Streichungen von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst, Lohnkürzungen von mehr als 25%, Systematische Einführung von Kurzarbeit, aber auch massive Erhöhung der Mehrwertsteuer wie auch Abbau des Gesundheits- und Bildungssystems trafen die ArbeiterInnen sowie die gesamte Bevölkerung. Während in Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland teilweise sogar mehrere Generalstreiks dagegen organisiert wurden, konnte bisher dennoch in keinem einzigen Land Europas der Angriff durch die herrschende Klasse und das Abwälzen der Krise auf die ArbeiterInnenklasse erfolgreich abgewehrt werden.

 

Gewerkschaftsführung gegen unbefristete Generalstreiks

 

Gerade auch die Ablehnung der Organisierung unbefristeter Generalstreiks durch die Gewerkschaftsführungen, die der Wirtschaft ernsthaften Schaden zufügen und damit tatsächlich auch Druck gegen die herrschende Klassen ausüben könnten, ist der Hauptgrund für die ausbleibenden Erfolge der bisherigen Proteste. Statt den Aufgaben des Klassenkampfes gerecht zu werden, statt konsequente Kampfmittel gegen die herrschende Klasse einzusetzen, hat sich der EGB immer wieder an das herrschende System angebiedert. Logischerweise sind viele ArbeiterInnen europaweit von der bürgerlichen Politik ihrer Gewerkschaften enttäuscht. Die Jugend Europas verliert das Vertrauen in die ArbeiterInnenbewegung und antwortet mit Ablehnung jeglicher Organisierung in dieser.

 

EGB will Sozialpartnerschaft

 

Umso unglaublicher liest sich das Ergebnis des EGB-Kongresses 2011. Keinerlei Lehren werden aus den Streikbewegungen gezogen. Diese werden im angenommenen Manifest des Kongresses (das „Athener Manifest“) noch nicht einmal erwähnt! Neben oberflächlichen Aussagen über die Schwere der Folgen der Wirtschaftskrise und Allgemeinplätze über die Aufgaben einer Gewerkschaft (Vertretung der Arbeiter, Gewinnung neuer Mitglieder, etc.) beschränkt sich das Manifest auf zwanzig Punkte, die sich der EGB für die kommenden drei Jahre in seiner Arbeit zum Ziel setzt.


Diese Punkte beinhalten zum Beispiel Forderungen wie Regulierungsprogramme für die Finanzmärkte, dem Ende der Manager-Boni, einer „fairen“ Globalisierung (!), und einer stärkeren Besteuerung auf Aktiengewinne. Auch wird eine stärkere Zusammenarbeit auf sozialpartnerschaftlicher Ebene als positives Ziel formuliert! Die herrschende Klasse peitscht die ArbeiterInnenklasse und die Jugend Europas in die absolute Verarmung, ihr Polizeiapparat prügelt die AktivistInnen in Griechenland und anderen Ländern Europas blutig nieder, die kapitalistische Bestie wütet in unermesslicher Brutalität … und der EGB wünscht sich eine engere Zusammenarbeit mit den VertreterInnen eben dieser Bestie!

Umso zynischer lesen sich die anderen Forderungen des Manifestes, die eine stärkere Organisierung der ArbeiterInnen in der Gewerkschaft, der Schaffung von Gleichheit von Mann und Frau, der Abschaffung der Jugendarbeitslosigkeit und der Verbesserung des Lebensstandards von MigrantInnen beinhalten.

 

Gewerkschaften von abgehobener Bürokratie kontrolliert

 

Trotz der Klassenkampfereignisse der letzten Jahre, die Europa ergriffen haben und die bürgerlichen Ökonomen sogar in Angst vor einem möglichen Bürgerkrieg versetzten, blieb die Spitze des EGB davon scheinbar unberührt. Einmal mehr wird klar, dass die Gewerkschaften unter Führung von reformistischen (nicht revolutionären) Kräften die Angriffe der herrschenden Klasse gegen uns nicht abwehren helfen, sondern uns vielmehr daran hindern. Die Bürokratie in der Gewerkschaft verfolgt eigene materielle Interessen, die an dem bestehenden System, an dem Kapitalismus gebunden sind. Eine von uns ArbeiterInnen abgehobene Kaste, wie es die Bürokratie darstellt, darf unsere Gewerkschaften nicht kontrollieren!

 

Revolutionäre Perspektive

 

Wenn wir die Sparpakete erfolgreich abwehren wollen, wenn wir den Kampf für ArbeiterInnenrechte, Gleichberechtigung von uns Jugendlichen, Frauen und MigrantInnen erkämpfen wollen, brauchen wir Gewerkschaften, die auch unseren Interessen entsprechend arbeiten. Dafür gilt es sich in der Gewerkschaft an der Basis zu organisieren, demokratische Massenversammlungen der Mitgliedschaft abzuhalten – unabhängig von der Erlaubnis durch die BürokratInnen. Es gilt VertreterInnen direkt demokratisch zu wählen auf den Versammlungen, die aus unseren Reihen kommen und die wir jederzeit abwählen können. Unser Ziel ist die Vertreibung der Bürokratie aus den Gewerkschaften und die Verwandlung dieser in tatsächliche „Kampfschulen unserer Klasse


Ebenso brauchen wir ein Kampfprogramm gegen die VerursacherInnen der Krise – die KapitalistInnen. Ein solches Programm muss eine sozialistische Perspektive der revolutionären Umwälzung Europas beinhalten. Es muss entschlossene Kampfmittel gegen die Sparpakete benennen. Dazu gehören neben unbefristeten Generalstreiks in einzelnen europäischen Ländern wie Griechenland auch die Organisierung von symbolischen, zeitlich befristeten, europaweiten Generalstreiks gehören, der die Kampfkraft unserer Klasse und ihre internationale Solidarität gegen die Angriffe der KapitalistInnen demonstriert.