General Sisi, Hollande, Obama:       Hände weg von Libyen!

Nieder mit den pro-imperialistischen Lakaien von General Haftar! Nieder mit den Killern der Daash! Für eine Regierung der ArbeiterInnen und Volksmassen!


Stellungnahme der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 26.2.2015, www.thecommunists.net

 

1. Die barbarische Enthauptung von 21 ägyptischen Kopten durch die Anhänger der Daash (“Islamischer Staat”) und die von imperialistischer Seite unterstützten Angriffe auf libysche Ziele durch die ägyptische Luftwaffe sind aktuelle Ereignisse, die ein neues Stadium im Bürgerkrieg Libyens einläuteten. Die europäischen Imperialisten wollen die gestärkte Position der Daash als Vorwand nutzen, um eine militärische Intervention in Nordafrika zu starten, mithilfe der sie die Ordnung wiederherstellen wollen, die seit Beginn der Arabischen Revolution im Jänner 2011 erschüttert wurde. In einer solchen Situation müssen alle SozialistInnen die ArbeiterInnenklasse und Unterdrückten mobilisieren, um Libyen gegen jeglichen imperialistischen Angriff zu verteidigen und um gegen die reaktionären Lakaien – wie das Militärregime von General Sisi in Ägypten und die Streitkräfte von General Haftar – zu kämpfen.


2. Libyen leidet an den Folgen der begonnenen, aber unvollendeten demokratischen Revolution der Volksmassen gegen das Regime von Gaddafi im Jahr 2011. Während die Volksmassen – geführt von lokalen Milizen, die insgesamt etwa 200.000 Rebellen umfassten – es schafften, das kapitalistisch-bonapartistische Regime nach einem achtmonatigen Bürgerkrieg zu stürzen, haben sie es verabsäumt auch die politische und ökonomische Macht zu ergreifen. Die RCIT hat die libysche Revolution als gerechten Massenaufstand gegen eine barbarische, staatskapitalistische Diktatur des Gaddafi-Clans unterstützt. Gleichzeitig haben wir bedingungslos die, wenn auch nur begrenzten, Luftangriffe durch die westlichen Imperialisten abgelehnt. Wir haben für eine Regierung der ArbeiterInnen und Volksmassen aufgerufen, die sich auf Aktionskomitees und Milizen der Massen stützt. Doch das Fehlen einer revolutionären Partei hat dazu geführt, dass sich die Macht in den Händen der Bourgeoisie befand, was schlussendlich zu einem Bürgerkrieg zwischen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften führte.


3. Nichtsdestotrotz hat selbst diese unfertige demokratische Revolution einige Errungenschaften für die ArbeiterInnen und Armen Libyens gebracht. Neben der Abschaffung eines allmächtigen, totalitären Staatsapparates haben die Massen immer mehr die neu errungene Freiheit zu streiken und Gewerkschaften zu bilden genossen. Die Bereitschaft und Kraft der ArbeiterInnen zu kämpfen – gerade auch in der Öl- und Hafenindustrie – wurde durch die weitverbreitete Bewaffnung im Zuge des Bürgerkrieges verstärkt. Diese neue Kampfkraft wurde gerade für ausländische Konzerne zu einer bitteren Erfahrung. Diese hatten gehofft die Ausbeutung der Ölreserven des Landes weiterführen zu können, wie es ihnen unter dem Regime von Gaddafi durch die Öffnung des Landes für ausländische Investoren seit 2003 möglich gemacht worden war.


4. Die westlichen Imperialisten intervenierten im Bürgerkrieg 2011 durch eine Reihe von Luftangriffen gegen Gaddafi-loyale Kräfte. Die Imperialisten hatte gehofft auf diese Art politischen Einfluss unter den Rebellen zu gewinnen. Nichtsdestotrotz und entgegen den Fantasiegebilden von Stalinisten und anderen Pro-Putin/Pro-Xi-„Linken“, die sich als „Anti-Imperialisten“ bezeichnen (und in Wirklichkeit nichts anderes als pro-östliche Sozialimperialisten sind), war die eingeschränkte NATO-Intervention weder der entscheidende Faktor in der libyschen Revolution, noch ist es den westlichen Imperialisten gelungen, die Kontrolle über das Land zu bekommen. Das wird spätestens dann mehr als klar, wenn man sich vor Augen hält, dass es weder der USA noch der EU gelungen ist, in Tripoli ein Regime von verlässlichen und starken Lakaien zu einzusetzen. Ein besonders sichtbarer Ausdruck dieses Versagens waren die Straßenschlachten in Bengasi im September 2012, nach der Veröffentlichung eines Anti-Islamfilms, der von rechtsradikalen Rassisten in den USA produziert wurde. Im Zuge dieser Straßenschlachten wurde das amerikanische Konsulat gestürmt und niedergebrannt sowie der US-Botschafter in Libyen, Chris Stevens, wie auch eine Reihe von Konsulatsangestellten und Sicherheitskräften getötet. Seitdem sind fast alle westlichen Botschaften und ausländischen Konzerne aus Libyen geflohen.


5. Heute sind fast alle Ölfelder Libyens unter Beschuss oder stillgelegt, so dass nur noch 160.000 Barrel Öl pro Tag zutage gefördert werden – ein drastischer Unterschied zum Höchststand von 1,5 Millionen Barrel aus dem Jahr 2011. Das Land importiert inzwischen 75% des Brennstoffs für den Haushaltsgebrauch. Hinzukommen permanente Liquiditätsengpässe, nicht ausgezahlte Regierungsgehälter, Stromausfälle und steigende Benzin- und Nahrungsmittelpreise.


6. Die Sackgasse der unvollendeten Revolution hat zu einer Stärkung bürgerlicher Kräfte und vermehrten Bemühungen der Imperialisten, Libyen unter seine Kontrolle zu bringen, geführt. Das Resultat dessen ist ein nun seit Mai 2014 voll ausgebrochener Bürgerkrieg zwischen zwei bürgerlichen Lagern. Das pro-imperialistische Lager wird dominiert von Überbleibseln des Repressionsapparates von Gaddafi, die sich in einer Koalition namens Amaliya al-Karama (“Operation Ehre”) zusammengeschlossen haben. Diese Koalition behauptet die legitime Führung des Landes zu sein. Sie wird anerkannt von den imperialistischen Mächten wie auch den Regimes von Ägypten und der Vereinten Arabischen Emiraten. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass diese Koalition nur über eine sehr geringe Unterstützerbasis in der Bevölkerung Libyens verfügt. Symbolisch kommt dies darin zum Ausdruck, dass sie den Sitz ihres „Parlaments“, dem sogenannte Rat der Abgeordneten, auf eine Autofähre im Hafen von Topruk, einer kleinen Stadt weit im Osten des Landes, verlegen musste. Aguila Saleh Issa, der Präsident dieses Parlamentes, war bezeichnenderweise ein führender Bürokrat im Regime von Gaddafi. Die entscheidende Kraft in dieser Koalition ist aber General Khalifa Haftar und seine Miliz, die sich auf den Rest des Militärapparates von Gaddafi stützt. Haftar selbst war ein führender General unter Gaddafi bevor er desertierte und sich als Helfer der CIA andiente. Bezeichnenderweise hob die Tobruk-„Regierung“ im Februar 2015 das Gesetz auf, welches ehemaligen Beamten von Gaddafi die Bekleidung von Ämtern verwehrte. Die soziale Basis dieser Kräfte sind die Beduinenstämme im Osten Libyens sowie Kräfte aus Zitan, die langjährige Konflikte mit der umliegenden nationalen Minderheit der Amazigh haben (auch bekannt als Berber). Die pro-imperialistische Amaliya al-Karama hat die Luftangriffe des ägyptischen Militärs bejubelt. Im Februar 2015 wiederholte der Premierminister Abdullah al-Thinni die Forderung seiner Regierung an die westlichen Imperialisten, militärisch zu intervenieren und Tripoli sowie Ben Jawad anzugreifen.


7. Das rivalisierende Lager wird von einer instabilen Allianz bürgerlicher und kleinbürgerlicher islamistischer Kräfte dominiert, die sich Fajr Libya (“Libysche Morgenröte”) nennen. Diese Koalition dominiert die größeren Städte, allen voran Tripoli und Misrata sowie die stark bewohnten, v.a. im Westen liegenden, Gebiete des Landes. Fajr Libya’s soziale Basis bilden die kleineren und mittleren Kapitalisten, wie die Kaufleute aus Misrata, die städtische Bevölkerung wie auch nicht-arabischen und religiösen Minderheiten (wie die Amazigh, die Tuaregs, und die kleine refomistisch-islamistische Sekte der Ibaditen). Die Koalition wird angeführt von Premierminister Omar al-Hassi's Regierung und dem Neuen Allgemeinen Bundeskongress, mit Basis in der Hauptstadt Tripoli. Al-Hassi hat die ägyptischen Angriffe als „Terrorismus“ und als „sündhafte Aggression“ bezeichnet. Fajr Libya stellt sich ebenso gegen eine militärische Einmischung seitens der Großmächte des Westens.


8. Hinzu kommen noch eine Reihe kleinerer salafistisch-takfiristischer, islamistischer Kräfte, die sich erst kürzlich der Daash angeschlossen haben. Derzeit kontrollieren sie die östliche Stadt Derna und zeitweise beherrschten sie auch Sirte. Nichtsdestotrotz schaffte es die in Tripoli beheimatete Regierung Misratas 166. Bataillon und andere Rebellenkräfte zu mobilisieren und Daash Mitte Februar aus Sirte zu vertreiben.


9. General Sisis Militärregime in Ägypten versucht den Bürgerkrieg in Libyen auszunützen, um eine Schlüsselposition in der politischen Entwicklung des Nahen Ostens zu erringen. Seit dem Militärputsch am 3. Juli 2013 hat das Sisi-Regime mehr als 6.000 Menschen ermordet und zehntausende Menschen ins Gefängnis geworfen. Unabhängig davon, oder besser gesagt gerade deswegen, hat das Regime von allen wichtigen imperialistischen Großmächten wie den USA, der EU, Russland und China politische und finanzielle Unterstützung erhalten. Hinzu kommen Lobeshymnen auf das Regime durch im Exil lebende pro-Gaddafi Kräfte, Stalinisten oder der von Alan Woods angeführten IMT. Erst kürzlich hat das Sisi-Regime einen 5,8 Milliarden Dollar schweren Deal abgeschlossen, um französische Waffen, unter anderem 24 Rafale-Kampfjets, eine Mehrzweck-Marine-Fregatte, und Luft-Luft-Raketen zu bekommen. In einem Interview mit dem französischen Radiosender Europe 1 hat General Sisi im Februar verkündet, es gäbe „keine andere Möglichkeit“, als eine internationale Koalition für einen Militärschlag gegen Libyen zu bilden.


10. Sisis Ruf nach einem weiteren imperialistischen Krieg ist eng verbunden mit dem kürzlich erfolgten Säbelrasseln der europäischen Imperialisten, die nach einem Militäreinsatz in Libyen rufen. Der Innenminister Italiens, Angelino Alfano, hat gegenüber der italienischen Zeitung La Republica eine NATO-Intervention „für die Zukunft der westlichen Welt“ gefordert. Alfano nützte die aktuelle Hysterie über die Daash aus und warnte dramatisch: „ISIS steht vor der Tür. Es gilt jetzt keine Zeit zu verlieren.“ Es ist mehr als klar, dass die europäischen Imperialisten in Wirklichkeit jetzt nach einem Militäreinsatz in Libyen rufen, um nachzuholen was ihnen 2011 versagt blieb: das Land zu unterwerfen und eine Kolonialverwaltung einzusetzen, die eine imperialistische Ausbeutung der reichen Ölvorkommen des Landes gewährleistet.


11. Wie wir schon in einer Reihe von Stellungnahmen in der Vergangenheit dargelegt haben, ist dies nur ein weiterer Schritt in der laufenden imperialistischen Kampagne, die sich die reaktionären Aktionen der Daash zu Nutze macht, um die Kriege der Großmächte im Nahen Osten zu rechtfertigen und die Unterdrückung der muslimischen MigrantInnen in Europa weiter voranzutreiben. Obamas Kreuzzug im Irak und in Syrien, unterstützt von den europäischen Imperialisten und ihren arabischen Lakaien, die anhaltende Besatzung Afghanistans, der Krieg Frankreichs in Mali und Zentralafrika, Russlands nicht enden wollende barbarische Unterdrückung des tschetschenischen Volkes – das alles sind nichts anderes als imperialistische Angriffe gegen die unterdrückten Völker der halb-kolonialen Welt. Die andere Seite dieser Medaille ist die tagtägliche Überausbeutung und nationale Unterdrückung der MigrantInnen in den imperialistischen Großstädten. Von diesen MigrantInnen sind besonders Muslime zunehmend im Visier rassistischer Übergriffe geraten, wie wir besonders eindrucksvoll in der Zeit unmittelbar nach dem Attentat auf Charlie Hebdo sehen konnten. Bezeichnenderweise hat sich die „Kommunistische“ Partei Frankreichs, wie auch deren Freunde in der reformistischen Partei der Europäischen Linken nicht gegen diese imperialistischen Aggressionen gestellt, wie sich auch die meisten Zentristen feige weigern den militärischen Kampf des hauptsächlich von islamistischen Kräften geführten Widerstandes gegen die imperialistische Besatzung zu unterstützen. Nicht überraschend unterstützten diese Zentristen hingegen sehr wohl die widerwärtigen, pro-imperialistischen Demonstrationen für „Nationale Einheit“, die am 11.Jänner in ganz Europa stattfanden und sich mit dem rassistischen Magazin Charlie Hebdo solidarisierten.


12. Die RCIT macht unmissverständlich klar, dass der Hauptfeind des Volkes in Libyen gerade auch in der aktuellen Phase das pro-imperialistische Lager der ehemaligen Gaddafi-Anhänger um General Haftar ist. Wir unterstützen den entschlossenen Widerstand des libyschen Volkes gegen die europäischen Imperialisten und gegen die Versuche des ägyptischen Regimes eine Militärintervention voranzutreiben. Wir rufen die internationale ArbeiterInnenbewegung dazu auf, sich gegen diese eklatante Aggression zu richten, die ausschließlich den Interessen der Monopolkapitalisten Europas und deren gieriger Lakaien im Nahen Osten dient.


13. Das libysche Volk braucht eine zweite Revolution, die endlich das erreicht, was schon 2011 versucht wurde. Dazu muss eine solche Revolution von der ArbeiterInnenklasse geführt werden, die sich in Form von Aktionskomitees und Volksmilizen organisieren muss. Sie muss sämtliche Teile der Bourgeoisie – egal ob islamistisch oder säkular – vertreiben, die Kapitalistenklasse enteignen und alle Großbetriebe und Banken unter Kontrolle der Beschäftigten in Staatsbesitz überführen.


14. Die RCIT bekundet ihre volle Solidarität mit den heroischen Massenprotesten in Ägypten, die sich gegen das Regime Sisi richten, wie auch mit der syrischen Revolution gegen das Regime von Assad. Schließlich betonen wir einmal mehr die Notwendigkeit die muslimischen MigrantInnen in Europa gegen die – von der herrschenden Klasse betriebene – bösartige Hasskampagne zu verteidigen.


Die RCIT ruft dazu auf für folgende Forderungen zu kämpfen:


* Zerschlagt General Haftars Allianz rückratloser, imperialistischer Lakaien zurück, gebt aber keine politische Unterstützung an Islamisten!


* Gegen das reaktionäre religiöse Sektierertum! Nieder mit der salafistisch-takhfiristischen Daash!


* Für unabhängige ArbeiterInnen- und Volksräte und -milizen! Für eine Regierung der ArbeiterInnen und Volksmassen, die sowohl die inländische Bourgeoisie, als auch die ausländischen Konzerne enteignet! Verstaatlichung der Banken und Konzerne unter ArbeiterInnenkontrolle!


* Organisiert Mobilisierungen gegen jede militärische Aggression und Wirtschaftssanktion des ägyptischen Regimes und der imperialistischen Mächte, die sich gegen das Volk Libyens richtet! Im Fall eines Angriffes treten wir für die Niederlage der Imperialisten und ihrer Verbündeten auf! Für internationale Mobilisierungen gegen die imperialistischen und ägyptischen Kriegstreiber!


* Freiheit für alle politischen Gefangenen in Ägypten! Nieder mit den Schauprozessen, die sich gegen die WiderstandskämpferInnen der Muslimbruderschaft und anderer Organisationen richtet! Für internationale Solidaritätsdemonstrationen und Streiks gegen die Unterdrückung in Ägypten! Für eine ArbeiterInnenregierung, gestützt auf den armen Bauern und der städtischen Armut!


* Verteidigt Gaza! Nieder mit Israel! Für eine internationale Boykottkampagne gegen Israel! Für ein freies, rotes Palästina!


* Sieg der syrischen Revolution gegen das Regime von Assad!


* Für eine sozialistische Föderation der Völker des Maghreb und Maschrek!